Wolfgang Hirschmann, 1937-2025

„Adamo. Stockhausen. WDR Big Band“.
So hatten wir eine WDR3-Sendung überschrieben, Anfang Januar 2017, aus Anlass seines 80. Geburtstages.
Und mittendrin angemerkt: „Für die Generation 50plus war er - ohne dass sie ihn kannte - der Mann an den Reglern für den Sound ihrer Kinder- und Jugendjahre“.
Vieles, was ihnen - vermutlich beiläufig bis ablehnend - zu Ohren gekommen war, geschah mit seiner Mithilfe. Gitte & Rex Gildo, Bill Ramsey, Graham Bonney, die Lords, die frühen Bläck Fööss, nicht zu vergessen 1969 „ne Besuch em Zoo“ (oh, oh, oh, oh!), erst recht nicht zu vergessen, 1973 ein singender Außenminister von der FDP (dem ein Jahr später, nun als Bundespräsident, „Hoch auf dem gelben Wagen“ zu singen, nicht verziehen worden wäre).
Hinter alledem (und noch viel mehr) steckte Wolfgang Hirschmann.
Hirschmann PhilEr sass aber auch Ende der 50er bei den Feetwarmers (Klaus Doldingers erste Kapelle) am Pult.
Ebenso aber auch bei Stockhausen & Kagel. Bei Marlene Dietrich (in den Abbey Road Studios), häufig bei Kurt Edelhagen (auch bei dessen Olympia-Musik, 1972), beim Soundtrack für „die Mutter aller Verkehrserziehungsendungen“, Der Siebte Sinn (1966-2005).
„Der Mann hatte einfach von Natur aus eine tolle Klangvorstellung“, wie Rolf Kühn ihn zu charakterisieren pflegte.
Er wusste nicht nur, wohin mit dem Klang, er hat ihm auch - wenn´s sein musste kleinteilig - den Weg dorthin gebastelt: er war ein Handwerker.
„Eine der bestgelungenen Aufnahmen, die mir passiert sind“, 1969 im Ronnie Scott´s Club in London, verdankt er einem Gang in die nächste Parfümerie:

„Der Flügel war so schlimm, dass ich mir Nagellack geholt habe, und die ganzen Hämmer mit Nagellack präpariert habe. Nach zwei Stunden war das hart, und da hatte ich ein richtiges Klavier, das man auch hörte.“
Der Einsatz kam einem regelrechten Klanggeschoss jener Jahre zugute, der Kenny Clarke - Francy Boland Big Band. Und damit wären wir bei der Begründung, warum sein Tod an dieser Stelle von Belang ist. 1961 bis 1972 war er tontechnisch verantwortlich für alle Aufnahmen dieser Big Band.
1985 gab er die Doppelrolle als Tonmeister & Produzent in seinem eigenen Cornet Studio in Köln-Weiden auf und wechselte in die nächste Doppelrolle, die wohl bedeutendste seiner Laufbahn: bis 2002 wirkte er als Produzent & Redakteur der WDR Big Band. Die drei Grammys, die die WDR Big Band 2007 und 2008 erzielte, gehen auch auf seine Vorarbeit zurück.
Aus dem ehemaligen Tanzorchester Werner Müller formete er eine auch in Amerika gefeierte Big Band:
„1990/91 in Montreux: da ist einem Mann wie Quincy Jones der Mund heruntergefallen. Er legt seine Noten auf die Pulte, und die Jungs haben das vom Blatt gespielt, ohne Probe. Das war die erste Akzeptanz, und das spricht sich sofort herum.“
Es war ein offenes Geheimnis, dass er mit Nachfolger & Nachfolgerin auf diesem Posten haderte; nicht zu Unrecht, die Präsenz der WDR Big Band reicht nicht mehr an die der Hirschmann-Jahre heran. (Warum verweigert der WDR ihm das Mindeste, die Ehre eines Nachrufes?)
In Weimar, im Alter von 16 Jahren, beobachtet er einen Vertreter des Berufsstandes, dem er später durch sein Wirken ein eigenes Kapitel hinzufügen sollte. Der junge Wolfgang Hirschmann besucht ein Konzert seiner Mutter, ein Konzert des FDGB-Chores Weimar.
Nach einem Tonmeisterstudium in Detmold wird er 1958 bei der EMI Electroa in dieser Funktion festangestellt. 1970 bis 1985 betreibt er sein eigenes Studio Cornet. 1969 bis 1984 sitzt er am Mischpult der Berliner Jazztage/Jazzfest Berlin.
Wolfgang Hirschmann, geboren am 8. Januar 1937 in Breslau, ist, wie erst jetzt bekannt wurde, am 12. April 2025 in Köln verstorben. Er wurde 88 Jahre alt.

erstellt: 29.04.25
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