Lyle Mays, 1953-2020

Ja, man könnte versucht sein, mit einer alteuropäisch-bildungsbürgerlichen Denkfigur zu beginnen.
Wonach Mays „der Eckermann“ von Pat Metheny gewesen sei.
So oft tauchte sein Name im Gleichklang mit dem des anderen auf.
Aber erstens war Mays nie so etwas wie „der Sekretär“ von Metheny (wie Eckermann von Goethe), zweitens waren sie peers, Gleichaltrige
(Lyle David Mays, geboren am 27. November 1953 in Wausaukee/Wisconsin, ein Dreivierteljahr vor Pat Metheny).
Und sie haben bereits in jungen Jahren, beide knapp über zwanzig, eine Zusammenarbeit begonnen, die an die 30 Jahre währte, bis zu Metheny´s Album „The Way Up“, 2003. Zudem sind sie sich dabei von Anfang auf Augen- bzw. auf Ohrenhöhe begegnet.
„Lyle war einer der größten Musiker, die ich je gekannt habe. In mehr als 30 Jahren war jeder Moment, den wir in der Musik teilten, etwas Besonderes“, lässt sich denn auch Pat Metheny vernehmen.
„Von den ersten Noten an, die wir zusammen gespielt haben, hatten wir eine unmittelbare Bindung. Seine breite Intelligenz und musikalische Weisheit prägten in jeder Hinsicht jeden Aspekt dessen, wer er war. Ich werde ihn von ganzem Herzen vermissen.“
Lyle Mays 1f9bd13e02Tatsächlich ist das Werk von Mays, unabhängig von Metheny, relativ schmal; es umfasst eine Reihe von Gastrollen, u.a. bei Paul McCandless, Eberhard Weber, Bob Moses, Rickie Lee Jones oder Joni Mitchell,  und auch sechs eigene Alben, worunter das letzte „The Ludwigsburg Concert“, 2016 veröffentlicht, eine Aufnahme von 1993 ist.
Mays war auch Pianst, trat aber vor allem als keyboarder hervor, und dies weniger mit hals-
brecherischen Soli a la Jan Hammer oder Chick Corea, sondern eher im Sinne von opulenen elektro-akustischen Orchestrierungen des Klanges.
Er war einer aus den keyboard-Wagenburgen jener Jahre, der auch sehr viel später, als die Geräte deutlich geschrumpft waren, vom Vorzeigemodus des Technologen nicht lassen mochte, wie ein YouTube-Video von 2011 zeigt.

Auch zu diesem Zeitpunkt ist er noch einem Jazzrock wie in den 70ern verpflichtet.
Er, dem immer schon eine Begabung für das Mathematische nachgesagt wurde, habe, so kann man lesen, seine letzten Jahre als Software-Manager gearbeitet. 2016 erklärt er dem amerikanischen Magazin Jazziz (Foto):
"Es ist nicht so, dass ich wirklich den Wunsch habe, die Musikindustrie zu verlassen. Ich habe das Gefühl, dass die Musikindustrie mich verlassen hat, oder uns alle verlassen hat.“
Am 10. Februar ist Lyle Mays in Los Angeles einer längeren Krankheit erlegen. Er wurde 66 Jahre alt.

erstellt: 11.02.20
©Michael Rüsenberg, 2020. Alle Rechte vorbehalten