ARTHUR HNATEK TRIO Static *****
01. Monotonous (Hnatek), 02. 27, 03. Brew (Geminiani), 04. MIDI Sans Frontières (Squarepusher), 05. Nine B (Hnatek), 06. In Three, 07. Static, 08. Cinque (Geminiani), 09. The End (Hnatek)
Arthur Hnatek - dr, Fabien Iannacone - b, Francesco Geminiani - ts
rec. 2020 (?)
Whirlwind Recordings WR4770
Schaffhausen 2017: ein Highlight, wenn nicht der Gipfel des ganzen Festivals - das Trio des jungen Pianisten Florian Favre (nicht verwandt mit dem gleichnamigen Drummer Pierre). Auch wegen des Bandleaders, ja, aber vor allem wegen eines Hipsters in Spießer-Strickjacke am Schlagzeug, Arthur Hnatek, 30, aus Genf.
Auf das, was da auf kurzem Wege aus den Handgelenken kam, Akzentverschiebungen, Umkehrgrooves, kurzum metric modulation ohne Ende, konnte man vorgewarnt sein.
Im gleichen Zeitpunkt war eine Trioaufnahme von Tigran Hamasyan auf den Markt gekommen, „Mockroot“. Die jazzcity.de-Rezension notierte Hammer-Grooves in einer Aufteilung bis zu 35/16.
Was da abgeht, lässt sich auf einem YouTube-Video verfolgen.
Schaffhausen 2021: Arthur Hnatek ist mit eigener Band da, mit diesem Trio, bei der „Werkschau des Schweizer Jazz“, wie sich Schaffhausen zutreffend versteht.
Wer „Static“ kennt, ist gut eingestimmt auf das Konzert des Trios und nicht mehr anfällig für die Enttäuschung, die sich ergäbe, würde er/sie von Erwartungen sich leiten lassen, die aus Hnatek´s zwar kurzer, aber doch ruhmreicher Rolle als Sideman erwachsen.
Arthur Hnatek, Sohn eines Musikinstrumentehändlers aus Genf, in New York Schüler u.a. von Jim Black und Nate Wood, versteht sich ausdrücklich als Teil der Schweizer Trommler-Tradition - aber er klingt nicht danach.
Seine rhythmischen Referenzen liegen zum einen in den Händen bzw. an den Drehknöpfen von Maschinen, bedient von Nicht-Schlagzeugern, wie beispielweise Aphex Twin oder Squarepusher. Und andererseits bei Jaki Liebezeit (1938-2017), aber nicht der FreeJazz-Drummer, sondern der späte Jaki, mit Can oder noch später, mit Burnt Friedman.
Mit andereren Worten, ganz schön „jazz“-fremd.
Im Grunde stehen wir hier - wenn auch mit anderen Dimensionen - vor einem ähnlichen Fall wie dem von Gerald Cleaver.
Auch Hnatek „steht“, wenn auch schon viel länger, mit jedem Bein in einem anderen Lager. Es empfiehlt sich, in seine Elektro-Produktionen hineinzuhören, beispielsweise „Swims“, und den Titel dieses Albums „Static“ wörtlich zu verstehen, denn - obgleich in Jazztrio-Besetzung - passiert hier jazzmäßig recht wenig.
Der Saxophonist Francesco Geminiani hat wenig zu tun, außer Variantenbildung seiner meist singbaren Linien.
Die Musik ist kaum auf Dynamik, noch weniger auf dramatische Zuspitzungen hin angelegt, sie gehorcht eher der „Block“-Ästhetik des Techno (ohne Techno zu sein). Das bedeutet, dass bei gleichbleibendem Fluß Wert auf Veränderungen im Detail gelegt wird, in erster Linie im ryhtmischen Detail.
Der opener „Monotonous“ (monoton) ist Jaki Liebezeit gewidmet, klingt aber weniger nach ihm als das nachfolgende „27“. Wenn denn schon ein track „monoton“ zu werden verspricht, darf er das auf keinen Fall sein.
Allenfalls trifft dies auf das wenig expressive Saxophon zu, der Baß hält sich ostinat zurück, und Htanek deutet den Shuffle-Rhythmus mit alternierenden Betonungen in alle möglichen Richtungen aus.
„Brew“ liegt über kunstvollen Afro-Beats und mutiert im B-Teil zu einem Marsch. In „Nine B“ setzt sich das Thema eingangs der Einfachheit halber auf die Zählzeiten eines 4/4-Taktes; man ahnt, dass es so schlicht nicht bleibt, später teilt es sich in mindestens drei Linien auf. Aber Variation, wenn nicht gar Spannung, ereignet sich wieder nur in der rhythmischen Ebene. Jazz-Ohren warten hier vergeblich auf Abflug.
Bei „In Three“ reagieren Sax und drums über einer brutalo Zwei-Schläge-Vorlage des Kontrabaß aufeinander, Geminiani weicht hier und da in multiphonics aus; es ist wieder ein Drummers-track: Hnatek experimentiert mit unterschiedlichen, teils sehr metallischen snare-Klängen.
Das Titelstück lässt den in einem solchen elektronischen Kontext allfälligen Ringmodulator-Klang wie eine Kugel durch eine Klangschale laufen. Drunter liegt ein Marsch. Unter „Cinque“ ebenso - wenn man ihn denn unter all den offbeats entdeckt hat.
Tja, das oftmals verpönte Charakteristikum „for drummers only“ kehrt hier in unerwarteter Form zurück.
Man hört einem großen Schlagzeuger zu, und wünschte sich, er hätte auch allen anderen Parametern mehr Raum gewährt.
Aber vielleicht sind Jazz-Ohren (Neurologen verzeihen die Metapher) dafür die falschen.
erstellt: 30.06.21
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