MARC COPLAND Gary **********
01. Voice from the Past (Gary Peacock), 02. Gary (Annette Peacock), 03. Gaia (Gary Peacock), 04. Empty Carousel, 05. Moor, 06. Random Mist, 07. Requiem, 08. Vignette
Marc Copland - p
rec. 12.+ 13.04.2018
Illusions ILL 313009
Die Aufnahmen zum letzten Solo-Album von Marc Copland, „Nightfall“, sind mal gerade zwei Jahre her, da nimmt er bereits das nächste auf.
Eine Horrorvorstellung für einen jeden Produzenten, zumal von diesem Künstler ja etliche im selben Format vorhanden sind; und wer will schon den Markt überschwemmen?
Keine Horrorvorstellung für Philippe Ghielmetti. Im Oktober 2001 produziert er Copland´s erstes Solo-Album „Poetic Motion“ in New York, ein Jahr später entsteht ein Duo-Album mit Gary Peacock („What it says“) - und die Idee für „Gary“.
Zu jenem Zeitpunkt arbeiten Copland und Peacock schon seit bald 20 Jahren zusammen, 1983 hatte sich der durch seine Mitwirkung bei historischen Jazzpiano-Größen (Paul Bley, Bill Evans) renommierte Bassist dem Copland Trio angeschlossen - zeitgleich mit dem Keith Jarrett Standards Trio (1983-2014).
Seitdem sind die beiden durch etliche Konzerte und 15 Alben einander verbunden.
„Nichts ist schöner als eine Idee, deren Zeit gekommen ist“, der alte Spruch (von wem stammt er eigentlich?) nimmt erneut Gestalt an im April 2018, in einem Studio in Pernes-les-Fontaines, 30 km nord-östlich von Avignon.
16 Jahre nach dem ursprünglichen Impuls finden Komponist, Interpret, Produzent, ein guter Flügel und ein kompetenter Klavierstimmer (Alain Massonneau) zusammen.
Und obwohl ihr Zusammenwirken niemanden zwingt, einen neuen Ordner der Jazzgeschichte anzulegen (weil sie einem gut gefüllten noch etwas hinzufügen), entsteht doch der Eindruck von etwas Besonderem.
Die Schönheit der Idee strahl akustisch dermaßen eindrucksvoll, dass man sich ihr wieder und wieder hingibt und gar nicht nachschmecken will, wo sie sich bereits ähnlich niedergeschlagen hat.
Auf „What it says“ und auch anderswo hat Marc Copland den Komponisten Gary Peacock ja längst schon gewürdigt.
Vermutlich liegt der Clou von „Gary“ darin, dass der Bassist Peacock ihm hier gar nicht in die Quere kommt, dass wir ihn ausschließlich aus der Perspektive von Copland hören. Und von dem sind großes Geschick bei der Auswahl und extreme Nuancierung bei der Ausführung seiner musikalischen Vorlagen bekannt.
Zudem hat Peacock selbst seine Stücke mit geradezu Cage´schem Hintersinn in die Welt entlassen:
„Wenn ich sage: das habe ich geschrieben, dann bin ich mir gar nicht sicher, was ich damit meine“.
Schon der Auftakt, „Voice from the Past“, lässt sich in diesem Sinne mißverstehen. Rubato gespielt, mit eleganten Dissonanzen angereichert, erinnert es eher an Ornette Coleman.
„Gary“ hat Annette Peacock, 78, ihrem Ex-Mann, 83, gewidmet (aus dem Album „Paul Bley with Gary Peacock“, 1970), eine Ballade mit Brüchen.
„Gaia“ beginnt mit einem Spiel zwischen linker und rechter Spielhand wie ein alter favourite von Copland, nämlich Wayne Shorter´s „Footprints“, steht aber in 4/4, stammt aber aus dem Fundus der hier Beteiligten, nämlich aus dem Trio-Album „Now this“ von 2014.
„Empty Carousel“ steht dann wirklich (wie „Footprints“) in einem 3er-Takt, im übrigen ein wunderbarer Titel für diesen leicht wogenden Gestus.
„Moor“ wie auch „Vignette“ dann aus dem schon erwähnten Tio-Album „Now this“ (mit Joey Baron). Ebenso „Requiem“, das aber Peacock & Copland auch schon auf „What it says“ bearbeitet haben, hier auch dank vieler Modulationen ein aufreizend „fröhliches“ Stück.
„Random Mist“ würde sich viel eher unter obigem Titel anbieten, eine Kantilene, ein Stück also, das man sich auch gesungen vorstellen kann.
Unerwähnt, nur summarisch erfasst, müssen hier die vielen Nuancen bleiben, dank derer Marc Copland seine Interpretationen zu einem Erlebnis machen.
erstellt: 13.02.19
©Michael Rüsenberg, 2019. Alle Rechte vorbehalten