CHRISTIAN WALLUMRØD Pianokammer ****

01. Fahrkunst (Wallumrød), 02. Hoksang, 03. Second Fahrkunst, 04. Boyd 1970, 05. School of Ecofisk, 06. Lassome

Christian Wallumrød - p

rec. 12/2013, 01/2014, 04/2014
HUBRO CD 2542

Christian Wallumrød, 44, ist ein Eklektiker. Er verfolgt Konzeptionen, die jeweils von anderen Musikern stammen könnten.
Wer nur seine ECM-Alben kennt, deren betörende Melanche aus Alter Musik und improvisatorischen Ansätzen, kennt nur einen Teil von ihm, durchaus seinen überzeugendsten.
Mit Sidsel Endresen oder mit Audun Kleive oder mit dem Trio Close Erase klingt er völlig anders, und man kann schwerlich eine Linie ziehen von deren experimentellen Charakter zu der an traditionellen Mustern orientierten Schönheit seiner ECM-Alben.
Obgleich ihm jedwede Widerborstigkeit fehlt, gehört dieses Album auch in die experimentelle Abteilung. Hier tüftelt Wallumrød am Klang des akustischen Pianos, was ihn freilich überhaupt nicht mit neueren Ansätzen des präparierten Pianos a la Benoit Delbecq verbindet.
cover wallumrod pianokammerWallumrød präpariert die Klaviersaiten nicht, ja auf dem Eröffnungstrack drückt er nicht eine einzige Taste (jedenfalls nicht hörbar), er offeriert lediglich den Nachhall pianistischer Aktionen in kurzen drones, die der Klangkunst näher stehen als allem, was man je unter „Jazz“ zu subsumieren bereit war.
„Second Fahrkunst“, drei tracks weiter, wirkt zunächst wie des Rätsels Lösung: man hört knappe Klavier-Fusel, aber der Nachhall dazu ist ebenso elektro-akustisch aufbereitet wie in „Fahrkunst“.
Leider verfolgt Wallumrød diese Linie nicht weiter.
Mit „Hoksang“ spielt er ein Hoppelpiano, das an Wayne Horvitz erinnert, „Boyd 1970“ wirkt bluesig, gespielt auf einem nicht ganz astreinen Piano, ganz ähnlich „Lassome“, eine Art „Boogie“ mit harmonischen Rückungen.
Der Eindruck des Privaten, den diese Klavierübungen vermitteln, stellt sich auch bei anderen Rezensenten ein.
Das kann man begrüssen - man kann aber auch fragen, ob Aufnahmen solch geringer Verbindlichkeit überhaupt veröffentlicht werden müssen.
Nun ist das bekanntlich eine rhetorische Frage, gleichsam die Nachbarin der alljährlich zur Frankfurter Buchmesse aufkommenden Klage „Wer soll das alles lesen?“
Eine freie Gesellschaft kennt - zum Glück - keine Instanz, kein style council, das hier regulierend eingriffe. Es ist das freudige Los der Konsumenten zu entscheiden, ob sie von einem Künstler wirklich alles wissen/hören wollen.

erstellt: 09.02.15
©Michael Rüsenberg, 2015. Alle Rechte vorbehalten