MARC COPLAND New York Trio Recordings - Vol 1 (Modinha) ********
01. Half a finger Snap (Gary Peacock), 02. Modinha (Jobim), 03. Flat out (Copland, Peacock, Bill Stewart), 04. Rain (Marc Copland), 05. Slap Happy (Copland, Peacock, Stewart), 06. Sweet Peach Tree (Copland), 07. Aglasia (Copland, Peacock, Stewart), 08. Yesterdays (Kern), 09. Taking a Chance on Love (Vernon Duke)
Marc Copland - p, Gary Peacock - b, Bill Stewart - dr
rec 11./12.03.2006
Pirouet PIT3018; LC-Nr 12741
Marc Copland gehört nicht gerade zu den veröffentichungs-resistenten Künstlern; wer ihn für sich entdeckt, kann sich mit ein bis zwei Alben pro Jahr von der Gegenwart in die Vergangenheit kundig machen - allein in 2006 sind es schon drei!
Dabei hegt das jüngste zugleich ein Versprechen für die Zukunft: "New York Trio Recordings - Vol 2" wird wieder mit Gary Peacock (dann am Schlagzeug Paul Motian) und schliesslich "Volume 3" mit dem bewährten Trio (Drew Gress - b, Jochen Rückert - dr) besetzt sein.
(Die Partie "Wer ist der häufigste Copland-Bassist?" wird dann mit Peacock 5 und Gress 5 remis stehen.)
Da Copland seinen Stil wenig ändert (und im übrigen auch gar keine Veranlassung dazu hat, er findet immer noch genügend Nuancen und Variationen) spekuliert das Label darauf, dass der Impuls des Wandels von der jeweils unterschiedlichen Rhythmusgruppe ausgehen wird.
Zu recht!
Dieses Album klingt schon anders als jedes mit seiner üblichen Besetzung (Gress, Rückert), die Musik ist - tendenziell- weniger rubato, weniger von gebrochenem swing geprägt als vielmehr straight swingend - wenn in dieser groben sprachlichen Polarität nicht gar die Feinmechanik eines Bill Stewart unterzugehen droht. (Es ist, nach "Softly", 1997, sein zweiter Einsatz bei Copland.)
Aber, wenn man sein Bekenntnis im Ohr hat, von Tony Williams konzeptionell beeinflusst zu sein ("ich spiele aber nicht seine licks"), kann man sozusagen eine gestrichelte Linie von hier, von tracks 3 und 4 zum zweiten Miles Davis Quintet ziehen.
"Flat out" ist eine kleine Bop-Skizze, die von Tempo her an "Pinocchio" erinnert. Das 10- bzw. 8-Noten-Thema von "Rain" mit seinem charmanten unisono von Bass und Piano könnte man ebenfalls bei Wayne Shorter verorten; dagegen spräche allenfalls sein 3/4-Takt. Wer ein Ohr für die Feinheiten eines Bill Stewart hat, wird das Stück schon allein deshalb auf Wiederholung stellen, weil Stewart hier in einem drum-solo gegen riff seine Charakteristika an Cymbals und snare ausstellt.
Nämliches später in "Aglasia", dem einzigen dezidiert in geraden Achteln ("binär") operierenden Stück, wo Stewart wieder seine sehr spezielle Art der Wirbel ("snare rolls") ausspielt (bei John Scofield steht dergleichen meist über einem New Orleans backbeat).
"Slap Happy" legt - wie der Titel suggeriert - den Schwerpunkt auf slap-Techniken und ist ein erfrischendes "Klang"-Stück ohne dezidierte Jazz-Form.
Spät, sehr spät öffnet Herr Sanders, pardon Marc Copland seinen "Standard"-Schrank: die diesmalige Auswahl klingt schlanker, weniger extensiv ausgleuchtet als sonst - ohne den sehr speziellen Tonfall vermissen zu lassen, der Copland in diesem Genre zu eigen ist.
Und nicht zuletzt: die thematische Überlegenheit der Fremdkompositionen fällt nicht so sehr ins Gewicht wie früher; mit anderen Worten: Copland & Co glänzen nicht nur in ihrer ureigenen Disziplin "Interpretation", sondern haben auch kompositorisch die Waage gut austariert.
©Michael Rüsenberg, 2006 Alle Rechte vorbehalten