FLIP PHILIPP Bad follows Good *******
1. Bad follows good, 2. Soft Arm Chair, 3. Women and Work, 4. Easier to sell, 5. Honululu Lilly, 6. Put me on the f..n Radio, 7. Strictly commercial, 8. Policeman in Heaven, 9. Waiting for Nellie (alle: Philipp), 10. Giant Steps (Coltrane)
Flip Philipp - vib, Lorenz Raab - tp, Clemens Salesny - as, bcl; Raphael Preuschl - b, Christian Salfellner, Herb Pirker - dr
rec 6.,7.10.2003
Home Base Records
www.flip-philipp.com
Heini W. aus D. wird diese Produktion schon deshalb nicht mögen, weil er eine Beschädigung ihres Inhaltes fürchtet, ganz wie bei einem Produkt von Winter + Winter. Nicht dass Heini W. ein Plastik-Fan wäre, aber in puncto Aufbewahrungskomfort für den Silberling schätzt er die jewel box über alles.
Wie beim Vorgänger *Muse* hat Flip Philipp sich auch jetzt nicht lumpen lassen: sah *Muse* wie ein Techno-Album aus, erweckt *Bad follows Good* den Eindruck, als handele es sich um eine DVD, im Hochformat farblich blass bedruckte Hartpappe nebst aufwe/ändiger CD-Halterung.
Alles irreführend, der Inhalt ist strictly audio und in beiden Fällen verwandt: ein hinterfotziger, ja mitunter artistischer Bebop. Dieser Begriff kann hier erstmal nur vager Platzhalter sein, er bezieht sich vor allem auf den Zuschnitt der Themen, die nicht selten Parker-lastig sind, wir finden aber auch ein Thema a la Ornette Coleman (*Put me on the f..n Radio*; tja, lieber FP, hoffentlich geht dieser Wunsch auch in Erfüllung), und als track nr 10, auf dem Cover nicht genannt, eine Version von *Giant Steps*.
Was diese Musik, ausser der Harmonik, am meisten vom klassischen Bebop, aber auch vom NeoBop, abrückt, das ist ihre aberwitzige Rhythmik, davon mochten die Väter des Genres vielleicht etwas ahnen, aber nicht praktizieren. Wie schon auf *Muse* finden wir hier groove switching bis zum Abwinken: Tempowechsel, manchmal nur für Taktteile, Beschleunigung, Verlangsamung der Tempi, double time, half time - Stolpersteine en masse also (für das gemeine Jazzmusiker-Volk.) Wer hier mitwirkt, darf nicht Chorusse lang auf den Autopiloten sich verlassen, er muss permanent wach und auf Stromschnellen gefasst sein.
Heller Aufruhr auf der Wache, als wir *Policeman in Heaven“ der Jazzpolizei vorgespielt haben. Einer knallte vor Entzücken die Dienstmütze in die Ecke und war gar nicht mehr zu halten wegen der *Bill Stewart´ismen* von Christian Salfellner (wir dürfen dem jungen Mann assistieren: auch in *Women and Work* stewart er ganz schön); grosses Rätselraten über das Monster Riff am Ende des Stückes. Trotz mehrmaligen Hörens konnte keiner die Form bestimmen, der Dienststellenleiter versprach, übers Wochenende die Sache zu lösen.
Who the fu.. is Flip Philipp? Friedrich Philipp-Pesendorfer, Jg 1969, kommt aus Wien, er pflegt einen trockenen, perkussiven Vibraphon-Stil und soll, man glaubt es kaum, seit 1989 Mitglied der Wiener Sinfoniker sein; in Berklee hat er mal reingerochen, mit Wayne Horvitz, Heiner Goebbels, Diana Ross, aber auch Richard Dorfmeister gespielt. Nachdem er nun zweimal schon sein Jazzhandwerk hat funkeln lassen, wünschen wir uns, dass er noch mal sein
*Flipotronics*-Projekt aufnimmt, vulgo: thematisch wieder mehr der Gegenwart auf die Pelle rückt.
*Bad follows good* können wir ausschliessen, diese Rhythmik und dazu Electro-Geflackere - unschlagbar!
©Michael Rüsenberg, 2004, Alle Rechte vorbehalten