JEFF BECK Live at B.B. King Blues Club & Grill ********

1. Roy´s Toy (Beck, Aiden Love, Andy Wright), 2. Psycho Sam (Tony Hymas), 3. Big Block, 4. Freeway Jam (Middleton), 5. Brush with the Blues (Hymas, Beck), 6. Scatterbrain (Beck), 7. Goodbye Pork Pie Hat (Mingus), 8.Nadia (Nitin Sawthney), 9. Savoy, 10. Angel Footsteps (Hymas, Beck), 11. Seasons (Ishmael Butler, Craig Irving, Maryann Viera, Jeff Beck, Andy Wright, Matthew Yaughan), 12. Where were you, 13. You never know (Jan Hammer), 14. A Day in the Life (Lennon, McCartney), 15. People get ready (Curtis Mayfield), 16. My thing (Jeff Beck, Andy Wright)

Jeff Beck
- g, Tony Hymas - keyb, Terry Bozzio - dr

rec 10./11.9.2003

Sony EL 90893
www.jeffbeck.com

Jeff Beck hat seit vielen Jahren kein Live-Album mehr gemacht. Dieses hier, ein Kraftpaket, kann man sich preiswert, für ca 14 Euro, aus Amerika kommen lassen (9.98 Dollar plus 7 Dollar Versandspesen). Der Versender trägt den obskuren Namen "Jeff Beck Bootlegs", operiert aber von der offiziellen Jeff Beck Homepage aus, andere Bezugsquellen gibt es nicht.
Die CD steckt in einer schlichten Papptasche, es fehlen Angaben zu Komponisten und Besetzung - ich habe sie nach Daten aus obiger Webseite sowie aus dem Jazzcity-Archiv so weit wie möglich nachgetragen. Mehrere Stücke stammen aus Becks letzten, technoiden Studio-Alben "Jeff", "You had it coming" und "Who Else!", er greift aber auch zurück auf "Scatterbrain" aus seinem Live-Album mit Jan Hammer (1976), auf seine Version von
Mingus´ "Goodbye Pork Pie Hat" aus demselben Jahr, ja sogar auf "A Day in the Life" von den Beatles.
Dieser Gang ins Archiv - es sei nicht verschwiegen - hat sich in der Jazzcity spontan zu neuen
Jeff-Beck-Festspielen aufgeschaukelt.
Danke Kraftpaket aus Amerika!
Am Anfang tobt ein startender Motor - völlig wurscht aus welchem Auspufftopf. Dieses aussermusikalische Signal - Becks Autoleidenschaft ist bekannt - wirkt auch deshalb nicht deplaziert, weil sich für die folgenden 65 Minuten kein geeigneteres Klang-Sinnbild denken lässt (nicht zuletzt findet sich im Arsenal von Becks Kabinettstückchen ein sehr spezielles glissando, das einen solchen Kavalierstart nachahmt).
"Live at B.B. King Blues Club...", das bedeutet: 65 Minuten
Vollgas, Kraft, Gitarrenklänge, als würden Starkstromkabel platzen. Gemessen an der Spielkultur 60jährigen Beck mutet die offiziell so getaufte Metal-Fraktion an wie ein Zweigbetrieb der Wiener Sängerknaben. Etliche grosse Gitarren-Techniker mögen dort lärmen, kein einziger aber verfügt über das dramatische Talent eines Jeff Beck. Klang und Phrasierung (seine "Stotter-Phrasierung"), hooklines, riffs von El Becko stehen neben denen von Jimi Hendrix einzigartig in der gesamten Rockgeschichte.
Auch Jazz-Ohren laufen über, wenn sie diesen Reichtum an Klangfarben wahrnehmen, der meist von melodischen Variationen nicht zu trennen ist; diese Sprünge, die einem wie Gedankensprünge erscheinen mögen.
Mit "Big Block" öffnet Beck eine Strecke von drei
Shuffles. "Freeway Jam", den alten Gassenhauer von Max Middleton, rotzt er im doppelten Tempo gerdezu herunter, mit wuchtigen doppel-bassdrum-Schlägen von Terry Bozzio, wie eine Pflichtübung, die bei allseits verbreiteter Vorkenntnis des Materials keiner besonderen Ausarbeitung mehr bedarf. Die folgt dann in Shuffle Nr 3, "Brush with the Blues"
Das Publikum rekrutiert sich aus
Beckologen, die das Erwartete, auch das Gelungene mit Jauchzen quittieren, zum Beispiel in "Goodbye Pork Pie Hat" (Shuffle Nr 4) oder in "Angel Footsteps", wo Beck das Thema in hohem Flageolett über einem Ska-Rhythmus schweben lässt. Der Kontrast auf soviel Subtilität folgt sogleich: der Stampfer "Seasons", mit einer Frauenstimme, die offenkundig aus dem Sampler kommt. Aber Ganz Genaues weiss man nicht, in der Zugabe "My Thing", erklingen ähnliche Vokal-Signale. Und da Beck in der Verabschiedung mehr nuschelt denn spricht, bleibt ein letzter Rest Unklarheit, ob nicht doch eine Sängerin ... und ein Bassist auf der Bühne war(en). Was man hört, kann Tony Hymas mit links gespielt haben, muss er aber nicht. Ganz sicher stammt die Violinen-Stimme in ãYou never know“ aber von ihm, aus einem Sampler.
In "A Day in the Life" zieht Jeff Beck noch einmal alle Register. Da auch in diesem Falle alle alles wissen, hält er die Form nicht ein, sondern zieht die Teile nach Gutdünken heran. Am wenigsten beschäftigt er sich mit dem grossen Schlussakkord.
In der Zugabe streichelt er das Publikum zunächst mit Curtis Mayfield, und dann folgt ein Schlag ins Kontor ("My Thing"), ein Monster-
Riff, das keine Nachfolger duldet. Letztlich schlägt Beck hier einen Bogen über fast vier Jahrzehnte, zurück auf den Anfang, zu den Yardbirds.
Auch Tony Hymas und Terry Bozzio sind ja, wenn auch jüngeren Datdums, ein dejavú, es ist die Besetzung des "Guitar Shop"-Albums. Sie geben das, was man im Kontext dieser Musik sein kann, die guten Begleiter.
Wie wäre das noch zu toppen?
Vielleicht durch die jüngste Beck-Mannschaft von der England-Tour Juni 2004:
Jan Hammer - keyb, Michael Mondesir - bg, Mark Mondesir - dr. Wie schreibt Michael M. darüber: "Tour was great. Still awaiting news on what happens next,if anything:"
Na, das wollen wir aber doch hoffen
!

©Michael Rüsenberg, 2004, Nachdruck verboten