Münchner G´schichten der Jazzgeschichtsphilosophie (10)

Gut, dass Andrian Kreye in der SZ (24.09.) noch einmal auf das Jazzjahr 1959 verweist.
Vor 60 Jahren entstanden mindestens fünf bahnbrechende Jazz-Alben:
Miles Davis „Kind of Blue“, John Coltrane „Giant Steps“, Charles Mingus „Mingus
Ah-Um“, Ornette Coleman „The Shape of Jazz to Come“ sowie Dave Brubeck „Time Out“.
Nebenbei, zwei davon (Davis und Brubeck) Bestseller bis heute, in Millionenauflage.
Eben weil sie „Neuland erschlossen“, zwingt Kreye sie unter einen Begriff der Biologie und spricht ehrfürchtig von konvergenter Evolution - was Naturwissenschaftler sich verbitten werden.
Das Neue schlechthin dürften sie kaum als ähnlich (konvergent) auffassen.
Egal, wir sind im Großfeuilleton, der anspruchsvoll wirkende Gedanke dient nur kurzfristig als Scharnier zur Gegenwart, denn:
„Der Ort, der dem New York von 1959 am deutlichsten ähnelt, ist derzeit London“.
Moment! Das ist gemeint:
„Die Flut der großartigen Alben von dort reißt nicht ab.“
Ok, „Stepping back, Jumping in“ von Laura Jurd, das wir hier auf dem Schirm hätten, ist nicht dabei.
Kreye nennt ein einziges Album, nämlich „Untitled (18 Artists)“.
Sieben tracks daraus kann man auf einer Webseite vorhören; sieben, die in Hall- und Echofluten baden.
Ihr Bezug zum Jazz, im weitesten Sinne, ist vage.
Diese Art Clubmusic ist ganz nett anzuhören, auch wenn ältere Ohren einen deutlichen Vorlauf dazu in den 90ern auf Labels wie D*Note und Warp lokalisieren würden.
Es folgt ein Hinweis auf die deutsche Jazzrausch Big Band sowie auf einen kommenden „Kraut Jazz Futurism“-Sampler.
Konvergente Evolution 2019?
Kein Gedanke daran, denn:
„Musikalisch bahnbrechend wie 1959 mag das alles nicht sein. Aber es bringt die Grundlagen von damals äußerst lebendig in die Gegenwart.“
Welcher Jazzmusiker, welche Jazzmusikerin dürfte das nicht für sich in Anspruch nehmen?
Hey, sind wir nicht alle irjenswie konvergent?

 erstellt: 24.09.19
©Michael Rüsenberg, 2019. Alle Rechte vorbehalten