Münchner G´schichten der Jazzgeschichtsphilosophie (8)

Heute ist der Tag, an dem wir aus vollem Herzen Till Brönner verteidigen wollen - auch wenn er als „ein auf der Bühne Zigarre rauchender“ ertappt worden sein soll.
Geschenkt.
Denn heute wird ein Gegenstand wieder auf selbige (die Diskursbühne des Jazz) gebracht, den die Jazzpolizei sicher in der Asservatenkammer verwahrt glaubte.
Der wahre Jazz.
Eben. Lange nicht mehr gehört & gelesen.
Es wundert wenig, wo nun das Diebesgut im Großfeuilleton präsentiert wird, in der SZ. Dort wird heute, 14.09.2018, dem neuen Album von Wayne Shorter, „Emanon“, eine halbe Seite eingeräumt. Wow.
Autorin ist Kat Kaufmann, „Jazzmusikerin, Filmmusik-Komponistin und Schriftstellerin“.
In dieser Beschreibung bündelte sich, frohlocken wir, eine Kompetenz, die selbst die eines Michael Naura (1934-2017) in den Schatten stellt.
Laut Wikipedia ist die Hochbegabte 1981 in „Leningrad“ (sic!) geboren und Anfang der 1990er Jahre mit den Eltern nach Deutschland emigriert, sie habe „Jazzgesang“ studiert (wo? bleibt unerwähnt) und anschließend an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam „ein Studium absolviert“.
Vor allem: 2015 erscheint ihr Romandebüt „Superposition“, sie wird dafür im gleichen Jahr mit dem aspekte-Literaturpreis ausgezeichnet; laut Jury sei ihr gelungen, „in großartiger Weise die großen Fragen unserer Zeit neu zu stellen.“
Auf die simple Frage hingegen: wie klingt denn der Jazz von KK?, bleibt das Netz eine Antwort schuldig. Wohl findet man auf soundcloud viele Gebrauchsmusiken für viele Gelegenheiten, z.B. für „Polizeiruf 110“ oder „Die Kinder vom Bahnhof Zoo“.
Nun denn, auch James Last wird in den Hochzeiten seiner happy music einen guten Bassisten von einem schlechten unterschieden haben können.
KK, von der immerhin „orchestral scores“ vorliegen, eröffnet ihre Hymne auf das neue Orchesteralbum von WS in der SZ mit einem Satz, der unter aspekte-Juroren Befremden auslösen dürfte:
„Wayne Shorter, der Jazz-Gigant, ist jüngst 85 Jahre alt geworden, und während andere Menschen seines Alters bettlägerig werden, zieht es Wayne“ (hier folgen Superlative) „dahin, wo er hingehört: in den unendlichen Raum zu den Sternen der fernen Galaxien auf immer neue, musikalische Erkundungen.“
Mhm, hören wir hier den unsterblichen Marcel Doppel-RR von ganz oben herab poltern, der Kontrast ist maximal herausgearbeitet - aber liessen sich die Verben sein und ziehen nicht auch verwenden, ohne die Bewohner von Pflegeheimen zu diskreditieren?
KK erwähnt in ihrem Artikel zweimal ihr „Musikstudium“, will auf Max Roachs „Freedom Now“-Suite „politisch, abstraktes Schreien einer afroamerikanischen Frau“ gehört haben, bevor sie dann das Diebesgut enthüllt:
„Der wahre Jazz (…) hat sei jeher die Kraft, einen tranceähnlichen Zustand, ein träumendes Fliegen, ein Rauschgefühl zu erzeugen, ein Schwindelgefühl zwischen Raum und Zeit.“
Bevor Sie sich nun an Ihren Arzt oder Apotheker wenden (und bestimmt nicht an eine Literatur- oder Jazz-Jury), muss der Klammerinhalt (…) noch aufgelöst werden:
„Der wahre Jazz - nicht das, was ein auf der Bühne Zigarre rauchender Till Brönner uns als solchen verkaufen will und es zum Leidwesen des Jazz auch schafft…“
Herrschaften, einen solchen Gedanken fände man nicht mal in den schlechten Jazzbüchern der letzten Jahre (jazzunkundige Literatur-Juroren mögen fragen, wie Brönner mit Zigarrerauchen Jazz verkaufen kann…)
Ein solches illiberales Nichts steht im Feuilleton der SZ!
Der große Definator, Wynton Marsalis, ist ein Leichtmatrose dagegen.
Noch aber ist KK erst auf der Hälfte der halben Seite angelangt. Sie nimmt noch mit „Achtsames Sein, miteinander, ineinander, um einander herum“ (Literatur-Juroren werden anmerken: eine Paraphrase auf in Ulm, um Ulm und um Ulm herum) und dann folgt - nichts als heiße Luft.
Wir erfahren nicht, was Wayne Shorter auf drei CDs musikalisch unternimmt, was er spielt, wie er es spielt. Nichts. Die Namen seiner Quartettmitglieder sind korrekt geschrieben, der einzige Fachbegriff bleibt „Songtitel“.
KK schließt mit Betrachtungen über den „freien Fall“, auf grund derer sie jeder Physiklehrer vom Unterricht ausschließen würde.
Böhmermann übernehmen Sie! Aber, da war sie ja schon.

erstellt: 14.09.18
©Michael Rüsenberg, 2018. Alle Rechte vorbehalten