PAT METHENY Road to the Sun ******

01.-04. Four Paths of Light, Part 1- 4 (Metheny), 05.-10. Road to the Sun Part 1-6 (Metheny), 11. Für Alina (Arvo Pärt)

Jason Vieaux - g (01-04), Los Angeles Guitar Quartet - Matthew Greif, Scott Tennant, William Kanengiser, John Dearman - g (05-10), Pat Metheny - g (06,10), 42 string guitar (11)

re. 2020 (?)
BMG/Modern Recordings

Pat Metheny ist unter die Komponisten gegangen.

Waitaminute.
Befand er sich dort nicht schon seit seinem ersten Album „Bright Size Live“, 1975?
Bis auf einen Standard von Ornette Coleman sind alle Stücke von ihm!
Und, wäre das, was seinen Personalstil ausmacht, nicht doch in erster Linie auf seine Kompositionen zurückzuführen?
Yes, Sir, alles richtig. Nur, früher (und d.h. bis zu seinem letzten Album) hat er jeweils auch mitgewirkt, war Interpret. Jetzt trennt er den Komponisten, wie es in der Klassik üblich ist, vom Interpreten.
Jetzt hat er für renommierte Ausführende geschrieben: für Jason Vieux („mein liebster Bach-Interpret auf der Gitarre“) sowie das Los Angeles Guitar Quartet („eine der besten Bands der Welt“). Auch das LAGQ hat Bach interpretiert, aber auch McLaughlin („You know, you know“) sowie auch 2018 live Metheny´s „Road to the Sun“.
Beide Hauptwerke dieses Albums, „Four Paths of Light“ sowie „Road to the Sun“, aber auch der Schlußtrack, Pat Metheny´s eigenwillige Interpretation von Arvo Pärt´s „Für Alina“, sind schwerlich als Jazz zu bezeichnen.
Oft haftet ihnen auch nichts Metheny-haftes an.
Die ästhetische Einordnung gestaltet sich also schwierig. Man muss mit New Classics nicht nur Nils Frahm, Einaudi oder Max Richter assoziieren (Jazz ist ja auch nicht nur Chris Barber oder Kenny G. oder der Herr Kamasi), aber da entlang könnte eine Zuordnung schon statthaft sein.
Die Auswahl der Interpreten ist selbstverständlich nicht ohne Vorgeschichte. 2005 veröffentlicht Jason Vieaux „Images of Metheny“, eine Auswahl von Metheny-Kompositionen, die er behandelt, als stammten sie eigentlich aus dem Barock.
Und wen finden wir 2004 unter den „Guitar Heroes“ vom LAGQ? Neben Ralph Towner, Steve Howe, Chet Atkins und weiteren - Pat Metheny, nämlich dessen „Letter from Home“.
cover metheny sunJetzt also keine Bearbeitungen mehr, sondern Originale, zwei neue Metheny-Suiten, Virtuosen-Stücke, die die Intention nicht verbergen, auf dem neuen Feld nichts falsch machen zu wollen. Und das heißt aber auch, nicht allzu viel Metheny durchdringen zu lassen.
So will der erste Aha-Metheny-Effekt in „Four Paths of Light“ sich erst im dritten Satz einstellen, rhythmisch und melodisch. Vorher, in Satz 2, klingt brasilianischer Choro an, in Satz 1 angeblich (wir hören das nicht) die Heavy Metal-Band Pantera.
Im ersten Satz von „Road to the Sun“ (vom Titel her wie der andere auch eher blutleere Poetik) meint man, ab 2:53 ein paar identische Noten mit Antonio Carlos Jobim´s „One Note Samba“ entdeckt zu haben. 

Im zweiten Satz greift der Komponist selbst ein und klampft beherzt im Schlußteil mit (er selbst nennt es auch so, „strumming“ - klampfen). Dieses „Road to the Sun, Part 2“ durchwandert wiederum typisches Metheny-Land, wie man es aus „The Way up“, „Still Life (Talking)“ oder auch „New Chautauqua“ u.a. kennt. Ganz ähnlich dann der vorletzte Satz.
Beide - da hat London Jazz News recht, wirken fast wie „Pat Metheny Group unplugged“.
Ob auch diese Momente eingefangen sind vom Lob William Kanengiser´s (LAGQ): „…eines der ambitioniertesten und kraftvollsten Stücke, die wir jemals während unserer gemeinsamen 40 Jahre gespielt haben“?
 Eine kompetente Bestätigung unserer in diesem Genre nicht ganz sattelfesten Vermutungen finden wir im Wall Street Journal:
„Wie die Solo-Suite ist auch ´Road to the Sun´ strukturell und harmonisch eher konservativ, lebt aber von dem robusten Zusammenspiel der vier Gitarren und spielt auf interessante Weise mit einer Musiksprache, die Debussy und Django Reinhardt gemeinsam haben.“
Der Komponist beschließt das Album als Interpret, von „Für Alina“ von Arvo Pärt, auf seiner 42-saitigen Gitarre, einem Hybrid aus Gitarre und Harfe.
Es ist ein „atmosphärisches“ Stück mit nachklingenden Tönen, das dem Klavier-Original sehr nahe kommt.

erstellt: 20.03.21
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