Jeremy Steig, 1943-2016

Als er in Deutschland auftauchte, Ende der 60er/Anfang der 70er, freuten wir uns, wussten aber nicht recht, wie wir seinen Namen aussprechen sollten: Steig wie der deutsche Steiger oder amerikanisch „Stieg“?
Wir freuten uns, weil er - in unseren Ohren - einem anderen amerikanischen Flötisten die Vorherrschaft streitig machte: Herbie Mann (1930-2003) mit seinem ewigen „Memphis Underground“. Steig klang „weniger kommerziell“, er wagte mehr, er sang und sprach in sein Instrument, sein Herauskitzeln der Obertöne verglich später einer seiner musikalischen Partner, der Gitarrist Vic Juris, „mit der Art, wie Jimi Hendrix die Gitarre spielt.“
Im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen, war die Flöte, die er in allen Varianten bedient, nicht Zweit- oder Dritt-Instrument, sondern für ihn die Hauptsache.
Dabei war ihm  eine Zeitlang - nach der Lähmung einer Gesichtshälfte in Folge eines Motorradunfalles mit 19 Jahren - das Spielen derselben nur mit einem Spezialmundstück möglich.
Sein erstes Album, „Flute Fever“, mit dem Pianisten Denny Zeitlin war Mainstream, 10 Jahre lang stieg Steig beim letzten Set der New Yorker Konzerte von Bill Evans, p, mit ein.
Vor allem war Jeremy Steig: Jazzrock, und er hatte weder Scheu, das Wort in den Mund zu nehmen noch sich über die Exklusivität seines Ansatzes lustig zu machen.
„Wir hatten beschlossen, den Jazzrock erfunden zu haben“, sagte er gegenüber der New York Times, „nur waren damals 50 andere auch zu diesem Entschluss gekommen.“
In Erinnerung bleiben Alben wie „This is Jeremy Steig“ und „Something Else“, 1969, mit Jan Hammer, Gene Perla, Don Alias (1939-2006) und Eddie Gomez.
Und dann, auf einem deutschen Label, die eher kammermusikalischen „Lend me your ears“, 1978, und „Rain Forest“, mit Eddie Gomez.
Ungerecht wie die Welt nun mal ist, brachte ihm ein kurzes Sample aus „Howlin´ for Judy“ (1969) mehr Kohle ein, „als aus allen meinen eigenen Alben“, nachdem die Bestie Boys es 1994 für ihren Hit „Sure Shot“ verwendet hatten.
Jeremy SteigJeremy Steig, geboren am 23.09.1942 in New York City, der Vater war ein bekannter Cartoonist, starb bereits am 13. April 2016 in Yokohama/Japan, wo er die letzten Jahre seines Lebens verbrachte.
Er starb an Krebs und wurde 73 Jahre alt.
Die Nachricht von seinem Tode zögerte seine Witwe Asako, auf seinen Wunsch hin, ein paar Wochen hinaus. Er mochte keine Nachrufe.
Aber es wird sie geben, zahlreich.

Das Foto ist seiner Webseite entnommen, sie enthält zahlreiche Gemälde und Zeichnungen und vor allem sogenannte digital books - ein wundervolles Vermächtnis.

 

erstellt: 03.06.16
©Michael Rüsenberg, 2016. Alle Rechte vorbehalten