von Hayden zu Carolin

Was trägt der Dudelsackspieler unter dem Rock?
Improv Moers Hayden
Hayden Chisholm, 39, hat sich während seines Jahres als Improviser In Residence mehrfach mit Instrument und in entsprechendem outfit durch Moers bewegt, auch ins Dienstzimmer des Bürgermeisters Christoph Fleischhauer, CDU.
Die ihm meistgestellte Frage spricht der Neuseeländer, der gut den Schotten gibt, gar nicht aus, die Antwort gibt er in einem kurzen Videoclip:
da sieht man ihn im vollen Ornat, er spielt eine kurze Melodei, legt den Dudelsack beiseite,
geht in den Handstand, der Rock rutscht hin, wohin die Gesetze der Schwerkraft ihn haben wollen - doch das Gemächte wird im Clip von einem bekannten Pictogram überdeckt:
„I love Moers!“
400 Besucher in der Festivalhalle sind begeistert. Sie kannten den achten Improviser In Residence als Musiker, jetzt erleben sie ihn als Entertainer, als Athleten, gleich wird er sich als Filmemacher präsentieren, in einer sehr persönlichen Adaption des Mythos von Sisiphos - Hayden, das Gesamtkunstwerk.
Der Bürgermeister - man hört ein zweites und ein drittes Mal hin -, ja, er duzt den Künstler.
Gegenüber dem Vorjahr, wo er zum ersten Mal durch die Veranstaltung führen musste, wirkt Fleischhauer wie ausgewechselt, geradezu wie befreit durch einen Künstler, der Weltläufigkeit an den Niederrhein gebracht und seinerseits die Stadt als „Insel des Friedens“ erlebt hat.
Was gibt es Besseres als zu erfahren, dass er sich auf seine Läufe durch die karst-schönen Landschaften Attikas im Moerser Schloßpark vorbereitet hat.
Die vielzitierte Bürgergesellschaft trampelt vor Vergnügen. Sie ist - das muss man sich mal vorstellen - mit 400 Repräsentanten vertreten, um die Staffelübergabe von Hayden Chisholm auf Carolin Pook, vom achten auf den neunten Improviser in Residence, zu beobachten.
Improv Moers zweiDiese kommt aus New York City an den Niederrhein, der Bürgermeister kann es kaum fassen. Das zählt mehr als die vielen aus der Weltmetropole, die zu Pfingsten mal für eine Stunde im selben Raum auf der Bühne stehen, beim Festival.
Das zählt vielleicht auch deshalb, weil die Stadt für die Improvisers In Residence nichts zahlt, das Budget wird vollständig von der Kunststiftung NRW getragen. Und sichert dieser schwierigen Musik eine Präsenz, wie sie offenbar weltweit einmalig ist.
Auch Pook weiß, wie man das Publikum anspricht. Aber musikalisch schlägt sie einen anderen Ton an. Das muss wohl so sein, dass die Tochter des Karajan-Assistenten ihren Klavierbegleiter Simon Rummel (Improviser In Residence, 2009) vorschickt zu sagen, das kommende Werk habe vier Sätze, dauere 20 Minuten, und den Applaus möge man sich für den Schluß aufsparen.
Die beiden führten dann weit weg von der Luftigkeit eines Hayden Chisholm, von seinem flötenhaften Altsaxophonton über indischer Srutibox, in die Welt erweiterter Violintechniken, in eine improvisierte Kammermusik, die vielleicht auch einem Helmut Lachenmann gefallen hätte.
Aber, Rummel & Pook verloren sich nicht in isolierten Klangmomenten, sie glänzten durch eine andere Art der Materialbearbeitung, deren Mangel an Jazzhaftigkeit man nicht als Defizit hören muss. Im abschließenden Trialog mit Chisholm fanden die unterschiedlichen Expressionen wunderbar zueinander.
Das Amt des Improviser In Residence in Moers nimmt schon wieder einen anderen Dreh.

erstellt: 22.01.16
©Michael Rüsenberg, 2016. Alle Rechte vorbehalten