rhythm changes - English please

Walter van de Leur, 52, ist sehr angetan von seinem Publikum, einem Jazzpublikum:
Durchschnittsalter 38 Jahre, Frauenanteil 25 % (na ja), wo findet man das heutzutage in einem Konzert?
Noch dazu kommen die 120 Damen und Herren aus 24 Ländern.
Aber sie fanden sich nicht ein, um Musikern zuzuhören, sondern sich und ihresgleichen -
rhythmchanges-logoes waren Jazzforscher unterschiedlichster Provenienz, die sich zur dritten rhythm changes Konferenz trafen, erneut im neuen Conservatorium van Amsterdam.
Das liegt nicht nur einen Steinwurf vom Bimhuis entfernt, einer der komfortabelsten jazz locations in Europa, es sieht auch ähnlich schnieke aus.
24 Länder hört sich gut an, aber die meisten kamen aus den USA, aus UK und NL, deutsche, ja mitteleuropäische Jazzforscher waren deutlich unterrepräsentiert.
Van de Leur, der an der Universität Amsterdam Jazz und Improvisierte Musik lehrt, verbindet damit kein Urteil über die deutsche Jazz-Musikologie, aber er will erfahren haben, dass deutsche Experten lieber nach Darmstadt gehen, weil sie sich dort in ihrer Muttersprache verbreiten können. Und was soll er, was soll der mehrheitlich britische Vorstand mit einem Charlie-Parker-Forscher, der seine Erkenntnisse nur auf Italienisch mitzuteilen weiß?
Englisch ist die lingua franca unter den Jazzologen, und wer sie einigermaßen beherrscht, konnte in Amsterdam neben dem unerlässlichen Bodensatz, den es immer bei solchen Konferenzen gibt, eine Reihe erstaunlicher Vorträge hören.
Scott DeVeauxEs würde der deutschen Fraktion z.B. gut anstehen, einen Mann wie Scott DeVeaux, 59, aus Charlottesville/Virginia zu erleben (hier in einer Art Jugendbild).
Man würde ihn zunächst für einen Regionalleiter von Burger King halten, wie er am Pult steht, die eine Hand häufg in der Hosentasche, in der anderen eine Riesentasse, aus der er Flüssigkeit in einem Maße zu sich nimmt, das man darin gar nicht vermutet. Dazu spricht er in einem Amerikanisch, bei dem die Kartoffeln mehr als üblich zwischen den Gesichtshälften kullern.
DeVaux hielt die Abschlussrede über „Fusion“, verlor aber kein Wort über Weather Report, betonte damit vielmehr eines der Grundprinzipen des Jazz. Die Ausschließeritis der deutschen Fraktion würde ihn wahrscheinlich veranlassen, die Tasse in einem großen Zug zu leeren.
DeVaux kennt viele, viele Jazz-Narratives - eine Lieblingsvokabel in Amsterdam. Gemeint ist damit eine „Auffassung von Jazz“.
Eine seiner klobig ausgesprochenen, schlanken Thesen: „Jazz braucht keine neuen Ideen, sie werden sowieso an ihn herangetragen!“
Darüber sollten wir mal nachdenken. In English, please.

erstellt: 07.09.14
©Michael Rüsenberg, 2014. Alle Rechte vorbehalten