Wolfgang Engstfeld, 1950 -2023

engstfeld wolfgang apr 18 live„…für die Entwicklung des straight ahead Jazz im Land von großer Bedeutung“,
schreibt der Saxophonistenkollege in der mail, mit der er uns dessen Tod mitteilt.
Man mag sich über die Terminologie streiten, fragen, ob nicht Hardbop zutreffender wäre oder auch Modern Jazz, was in seiner Umgebung selbst gebraucht wird.
Allein, das sind Varianten ein und derselben Sache, die unter Hinzufügung „Einfluß von John Coltrane“ einer exakten Lokalisierung recht nahe kommen.
Der Mann stand in der Mitte des Jazz, nicht an seinen Schnittstellen.
Obwohl, ganz am Anfang seiner Karriere, in den frühen siebzigern, bei Jazztrack,
bewegte sich das Quintett mitunter auch an der damals neuen Schnittstelle des Rock.
Anfang der 80er beginnt er die Kooperation mit einem Partner, dem Schlagzeuger Peter Weiss, die zunächst über ein Trio, später und längstens in einem Quartett schließlich „fourty years“ (CD-Titel von 2011) währt.
Er hat die Welt gesehen, 850 Jahrfeier Moskau, Japan, China, Australien, aber auch Brasilien. Hat mit Prominenz gespielt, von John Scofield bis Eberhard Weber, mehrfach mit dem stilistisch eng verwandten Randy Brecker (z.B. "Together", 1991).
Und doch ist der Lokalstolz nicht ganz falsch, den die Rheinische Post in ihrem Nachruf so beschreibt: „…(er) vertrat Düsseldorf in der Welt“.
Da will nun gar nicht in die überkommene Rheinschienen-Folklore passen, dass dieser Düsseldorfer 24 Jahre lang eine Professur für Jazzsaxophon an der Musikhochschule Köln innehatte, ja sogar der erste dort auf diesem Posten war.
Durchaus Pilot-Charakter dürfte auch haben, dass er - was heute normal ist - in den Jazz nicht aus einem „normalen“ Beruf geflohen ist, auch nicht aus der Klassik konvertiert, sondern das Rüstzeug sogleich an einer Hochschule erworben hat, an der ersten ihrer Art in Europa, in Graz.
Wolfgang Engstfeld, geboren am 9. Dezember 1950 in Düsseldorf, ist ebendort am 18. September 2023 einer Krebserkrankung erlegen. Er wurde 72 Jahre alt.

Foto: Gerhard Richter (Wolfgang Engstfeld, 2018)
erstellt: 18.09.23
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