BEN WENDEL All One ********

01. I Loves You Porgy (Gershwin), 02. Wanderers (Ben Wendel), 03. Throughout (Bill Frisell), 04. Speak Joy (Ben Wendel), 05. Tenderly (M: Walter Gross, T: Jack Lawrence) 06. In Anima (Ben Wendel)

Ben Wendel - ss, ts, bassoon (6), Cécile McLorin Salvant - voc (1), Terence Blanchard - tp (2), Bill Frisell - g, EFX (3), Elena Pinderhughes - fl (4), José James - voc (5), Tigran Hamasyan - p (6), Steve Wood, Beth Wood - handperc (2)

rec. 2020-2022
Edition Records EDN1206

Ben Wendel lebt ein intensives Leben auch abseits von Kneebody.
„All One“ ist bereits sein 9. Album in eigener Regie, und - wie die Punktzahl signalisiert - ein sehr gutes.
Eigene Regie ist hier wortwörtlich zu verstehen. Wendels Rollenset ist umfangreicher als mit den drei für ihn ausgewiesenen Instrumenten. Er bedient sie im Mehrspurverfahren und summiert sie nicht selten bis auf die Größe einer kleinen Big Band.
Die mitunter sehr prominenten Gäste sind gezielt selektiert, sie dienen als Solisten, jeweils nur für ein Stück.
Last no least, ein Spezifikum, das die Konzeption dieses Albums wesentlich grundiert: es gibt kein Schlagzeug!
Und man vermisst es auch nicht.
Wendel legt soviel Druck & Präzision in die Bläser-Parts, häufig in ostinaten Formen, dass sie rhythmisch ein hoch-vitales Leben führen.
cover Wendel all one   1Den absoluten Höhepunkt in dieser Richtung legt er auf den Schlusstrack: „In Anima“, mit dem armenischen Pianisten Tigran Hamasyan - ein Hammer!
Er beginnt mit einem düsteren, moll-haften 2-Takte-Riff in 6/4, über das Wendel - wie bei Kneebody - ein Thema in langen Bögen zieht. Nach der Exposition des Themas weicht Hamasyan vom Beat ab und legt erste poly-metrische Fallsticke. Derweil Wendels Tenor darüber singt und in einem großen Hallraum zu einem Solo aufsteigt.
Einen anderen Kneebody-Einfluss hört man schon viel früher, in dem Fanfaren-Intro von „The Wanderers“. Das Thema taucht in freiem Kontrapunkt von Tenorsaxofon und Trompete (Terence Blanchard) noch einmal in der Coda auf, im großen Mittelteil wird es minimalistisch durch einen Wald von „Holzbläsern“ und Trompete geführt.
Ein verwandter Aufbau, aber in anderen, wärmeren Klangfarben in „Speak Joy“, mit der Flötistin Elena Pinderhughes. Wendel grundiert hier mit einem nach unten transformierten Fagott.
Es gibt zwei Standards: „I loves you Porgy“ zum Auftakt mit der Sängerin Cécile McLorin Salvant und später „Tenderly“ mit dem Sänger José James, rubato gehalten und in ferner Anlehnung an die Arrangements von Gil Evans.
„All One“ glänzt durchgängig mit groß ausgefächerten Arrangements.
Das gilt im Prinzip auch für das Stück, das Bill Frisell quasi mitgebracht hat: „Throughout“ aus seinem Album "In Line" (1983), später auch auf seinem „Live“-Album (1991), ein Dreivierteltakter, der einzige track, dem es ein wenig an rhythmischer Spannung mangelt.
erstellt: 13.06.23
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