NILS WOGRAM NOSTALGIA Nature ******

01. Solitude (Wogram), 02. Hofstetten, 03. The Trail, 04. Birds, 05. Uncultivated Land, 06. As Wave follows Wave (Terzic), 07. Sanctuary (Wogram), 08.Quiet River, 09. Village for Sale, 10. Dipper

Nils Wogram - tb, Arno Krijger - org, Dejan Terzic - dr, glockenspiel (7)

rec. 15.02.+16.02.2014
NWog Records 012

Kinder, wie die Zeit vergeht!
Seit 11 Jahren ist Nils Wogram mit Nostalgia unterwegs, seit mindestens drei Jahren ist nun schon der Niederländer Arno Krijger dabei (statt Florian Ross), und auch das nun vorliegende Album ist schon ein Jahr alt.
Nostalgia, nomen est omen, dieses Trio war nie Wograms wagemutigstes Projekt, sondern seine Hinwendung zur Jazz-Tradition. Die er in einem wichtigen Punkt moduliert hat. Das „Orgel-Trio“, man verstand jahrzehntelang darunter Orgel-Gitarre-Schlagzeug, der Wahlzürcher Wogram hat das klassische Format bereichert um den Austausch von Gitarre gegen Posaune.
Nostalgia ist sein kulinarischtes Projekt, Experimenten in der Form, Mikrotonalität gar, geht er woanders nach, im Vertigo Trombone Quartet,insbesondere in seinem Langzeit-Ensemble Root 70.
Mit Krijger erfolgt nun eine klassische Hammond-Bedienung (der Baß wird mit den Füßen über ein Manual gespielt, beide Hände sind für Akkorde frei), das Trio rückt dem klassischen Format noch näher, man kann klangliche Verfeinerungen wahrnehmen. Aber, mit diesem vierten Album scheint das Format doch langsam auserzählt.
cover wogram natureDas bedeutet nicht, es gäbe keine Momente des Aufhorchens, „Nature“ bietet neben einigen - typischen - uptempo swing Nummern zwei richtige Kabinettstückchen:
Das Thema von „Birds“ läuft über ein herrlich angeshuffleten Rhythmus, wo Wogram geschickt multiphonics (Mehrstimmigkeit) einwebt, bevor Krijger über einem fast swing davoneilt und Dejan Terzic mit einem drum-solo folgt.
„Village for Sale“ erstrahlt in großer Eleganz: Eröffnung mit einem Bossa-Nova-ähnlichen Beat und rimshots (Seitenschläge auf die snare), das A-Thema mit zweimal fallender Linie - eine Reminiszenz an „Allah be praised“ von Tony Williams Lifetime (aus dem Album „Turn it over“, 1970)?
Apropos „Village“ und „Nature“, die Inspirationen zu den Kompositionen stammen aus Naturbetrachtungen des Bandleaders - was sich nur schwer nachvollziehen lässt, steht doch die „Schweineorgel“ einem Naturempfinden denkbar fern.
Möglicherweise war diese symbolische Differenz auch Auslöser für die Entscheidung des Labelchefs Wogram, das booklet diesmal ganz überwiegend dem Abdruck einer Kurzgeschichte des Berliner Schrifstellers Tobias Premper („Ausbeute“) zu reservieren, in Deutsch und Englisch - eine sehr schöne Handreichung.

erstellt: 01.04.15
©Michael Rüsenberg, 2015. Alle Rechte vorbehalten