CASSANDRA WILSON Silver Pony *****

01. Lover come back to me (Romberg, Hammerstein), 02.Went down to the St. James Infirmary (trad), 03. A Night in Seville (Wilson, Veal, Riley, Batiste, Sewell, Babalola), 04. Beneath a Silver Moon, 05. Saddle up my Pony (Charlie Patton), 06. If it´s Magic (Stevie Wonder), 07. Forty Days and Forty Nights (Bernard Roth), 08. Silver Pony (Wilson, Veal, Riley, Batiste, Sewell, Babalola), 09. A Day in the Life of a Fool (Luis Bonfa, Sigman), 10. Blackbird (Lennon, McCartney), 11. Watch the Sunrise (Stephens, Laird, Dale Jones)

Cassandra Wilson - voc, Marvin Sewell - g, Reginald Veal - b, bg (4,6,10), Herlin Riley - dr, Jonathan Batiste - p, ep (3), Lekan Babalola - perc, Ravi Coltrane - ts (4), Helen Gillet - vc, John Legend - voc, p (11), Luke Laird, Brandon Ross - g (11)

rec ?
Blue Note 509996 29752 2 3, LC-Nr 00133

Wow, was für eine Wohltat, nach all´ den skandinavischen Mädchenstimmen wieder mal ein festes weibliches Alt, nach der Ausweitung der Krampfzone in ein Pop-Delta mal wieder an einem richtig afro-amerikanischen Strom zu sitzen, funky, mit Blues und sogar slide guitar, an der nicht gespart wird.
Es ist wieder mal Zeit für die mutmaßlich immer noch beste unter den lebenden Sängerinnen aus dem Genre, das sich umstandslos noch als „Jazz“ bezeichnen lässt.
The divine Miss Wilson aber wirkt müde, ja abwesend, als reiche sie lediglich eine Visitenkarte ein, die daran erinnern soll, dass mit ihr noch zu rechnen ist. Sie dosiert soviel Passion, wie gerade nötig,cassandra3 überlässt in zwei Stücken („A night in Seville“ sowie dem Titelstück) das Geschehen vollständig ihrer Band.
Das wäre nicht von Nachteil, denn ihre Begleiter können was, z.B. einen schönen, dezent Afro angehauchten Funk in „Seville“, der nahtlos in den nächsten track übergeht, worin Wilson erst nach einer guten Minute ihre Stimme erhebt.
Das Titelstück aber bleibt rätselhaft, es dauert ganze 37 Sekunden, worauf ein Großteil noch für einen von ferne brandenden Beifall draufgeht.
Ihr und ihrer Begleiter einst großes Talent zu wirklich alternativen Lesarten von Standards, ihr Verschleifen von Melodien, ihr Ver-rücken von Texturen ruht diesmal fast ausnahmslos.
Im Beatles-Klassiker „Blackbird“ scheint noch etwas davon auf, ein wenig von der Noblesse, mit der sie Mitte der 90er ihre Karriere neu justiert hat.
Aber, wer „Blue Light till Dawn“ oder „New Moon Daughter“ dagegen hält, nimmt hier nur noch einen Nachklang abnehmender Intensität davon wahr.


erstellt: 14.12.10
©Michael Rüsenberg, 2010. Alle Rechte vorbehalten