GWILYM SIMCOCK Instrumation *****

Move!
01. Clunky (Simcock), 02. Interlude #1, 03. Columns, 04. Interlude #2, 05. Industrial (for Alan)
Simple Tales
06. Overture, 07. The Theme, 08. Mr. Bricolage, 09. Long Road, 10. Dance! (for Ann)

Gwilym Simcock - p, Yuri Goloubev - b, Martin France - dr
City of London Sonfonia, Clark Rundell - cond (Move!)
John Paricelli - g (Move!), Thomas Gould - v (Simple Tales), Will Schofield - vc (Simple Tales)

ACT 9564-2, LC 07644

Komm´t, lasst uns gehen! - Nein, wir warten! - Auf wen wartet Ihr? - Wir warten auf God..., wir warten auf den nächsten Jazz-Simcock!
Warum? - Weil der bedeutendste britische Jazzpianist der Generation 30+ uns erneut hinhält. Und wir geneigt sind, ihm mit Frank Zappa zuzurufen „Make a Jazznoise here!“ Endlich mal wieder.
Gwilym Simcock legt seine Methode dankenswerterweise offen: er hat zwei Kompositionen aus seinem immer weiter anwachsenden Bestand an Aufträgen für klassische Klangkörper um eine rhythmische Komponente aufgebrezelt.
Im Falle „Move!“ für die London Sinfonia lautet das in seinen Worten: „Ich habe den rhythmischen Aspekt der Musik erhöht, indem ich als den Kern des Stückes ein Trio mit Yuri und Martin setze.“
„Simples Tales“ war ursprünglich ein Auftrag für ein „klassisches Piano Trio (Violine, Cello und Piano)“, das er, wie „Move!“ um Bass und Schlagzeug „erweitert“ habe.
Wir haben hier also Werke vor uns, die so, wie sie jetzt klingen, gar nicht konzipiert, sondern die jeweils ohne Rhythmusgruppe bereits als aufführungsfähig sich erwiesen haben.
Kann das gut gehen? Kann, wenn man einer „klassischen“ Komposition nachträglich ein Jazzfundament einzieht, das überarbeitete Werk eine überzeugende Form annehmen?
So papieren, wie die Frage wirkt, kann man sie selbstverständlich nicht beantworten; es sei denn, man täte sie mit den Beispielen Swingle Singers oder Play Bach! ab. Aber auch da ging dem Urteil ja ein Klangeindruck vorauf.
Theoretisch kann man alles verjazzen, und ein Jazz-Komponist erst recht eines seiner klassischen Werke.
Die Frage ist: womit gibt man sich zufrieden?
cover-simcock-instrumationReicht einem Thirdstream in seiner vordergründigen Form: wo die Streicher piccicati, unterstützt vom Baß Yuri Goloubev´s in der Tat „swingen“, wo das Orchester in der Tat Jazz-Themen mitspielt, sich überwiegend aber verhält wie im späten 19. Jahrhundert, wo der Pianist in Solo-Kadenzen, hier „Interludes“ alles ausströmt, was zwischen Jazz-rubato und Neo Romantik greifbar ist - dann ist man mit „Instrumation“ auf der sicheren Seite. Und gut unterhalten.
Und wahrscheinlich schaut´s auf der Bühne auch noch gut aus.
In einem Zeitfenster aber, in dem z.B. durch Roger Hanschel, Vijay Iyer, Steffen Schorn, Uli Rennert, früher auch Heiner Goebbels, solcherlei Konventionen gesprengt sind, wirkt ein Werk wie „Instrumation“ altbacken.
Es stellt die Klassik-Gelüste der Jazzgemeinde zufrieden, die E-Musiker wird´s nicht jucken, ein Geländegewinn bleibt aus.
Vielleicht sollte sich Gwilym Simcock von Mark Anthony Turnage oder Thomas Ades ein solches Werk schreiben lassen. Oder für sein Trio, diesmal ist wieder, wie anfangs, Martin France dabei.
Es blitzt immer mal wieder auf.
Man hätte gern mehr davon - ohne das Bühnenbild des 19. Jahrhunderts.

erstellt: 05.08.14
©Michael Rüsenberg, 2014. Alle Rechte vorbehalten