STEVE GADD AND FRIENDS Live at Voce *****

01. Watching the River flow (Dylan), 02. Way back home (Wilton Felder), 03. Undecided (Charles Shavers, Sid Robin), 04. Bye Bye Blackbird (Henderson, Dixon), 05. Them changes (Buddy Miles), 06. Georgia on my Mind (Carmichael, Garrell), 07. Back at the Chicken Shack (Jimmy Smith), 08. Sister Sadie (Horace Silver, Alf Clausen), 09. Here I am (Edie Brickell), 10. Down

Steve Gadd - dr, Joey DeFrancesco - org, tp (4), Ronnie Cuber - bars, Paul Bollenback - g, Edie Brickell - voc (9,10)

rec 17.11.2009
Challenge CR73326; LC 00950

Wenn man sich Programm und Besetzung anschaut, ahnt man jeden einzelnen Ton - und doch reisst er einen mit, wenn er dann erklingt. Wer kann sich schon der Wucht der „Schweine“-Hammond B 3 entziehen, wenn sie von allen Gliedmaßen eines Joey DeFrancesco traktiert, nein virtuos bedient wird?
(Gelegentlich, wie in „Bye Bye Blackbird“, verwendet er die oberen, um Trompete zu spielen. Die Füsse reichen vollkommen aus, den Groove weiter wummern zu lassen.) Und dann ist da ja immer noch der Bandleader, der mit den Besen die snare vorwärts rührt.
Mein Gott, Steve Gadd - was war das ein hype, nein ein Interesse an einem Drummer, ohne dessen Spuren in den 70ern und 80ern kaum eine seriöse Aufnahme ein amerikanisches Studio verließ.
Steve Gadd und Billy Cobham, das waren die meist-kopierten Schlagzeuger jener Zeit, was haben Drummer aller Länder dem Mann auf die sticks geschaut, seine funk-licks, seine snare- und tom-Kombinationen, die schnellen Wirbel auf der hi hat. Unvergessen das Duo mit Chick Corea 1976 in „Spanish Fantasy“ (auf „My Spanish Heart“).
Bis in die 90er Jahre hinein ging das, bis die Vertreter der diversen „Millimeter-papier“-Fraktionen (nicht nur Dave Weckl) ihn mit immer neueren sensations ablösten.
Im neuen Jahrtausend hat der Mann, geboren 1945 in Rochester, erkennbar zurückgeschaltet, er ist sichtlich ergraut und tourt heute mit Eric Clapton. Er war auch dabei, als Clapton und Jeff Beck 20210 im Madison Square Garden sich trafen.
Wie früher auch hat er ein paar Bandprojekte laufen, Steve Gadd and Friends ist eines davon, das am meiste Jazz-zugewandte, mit einem ganz alten buddy, Ronnie Cuber.
cover-gaddSchon die ersten Töne, eine sehr bluesige Interpretation von Bob Dylans „Watching the River flow“ (1971), bestätigen: es handelt sich um das Konzept des guten alten Orgel-Trios, erweitert um Saxophon.
Insbesondere „Back at the Chicken Shack“, ein signature tune von Jimmy Smith (1928-2005) liegt ganz auf dieser Linie. Und in dieser Spur ist und bleibt Joeye DeFrancesco die beste Wahl, der Mann lässt es krachen, macht nichts falsch.
Ronnie Cuber aber wohl! In der alten Crusaders-Nummer „Way back home“, wo Gadd kurz die bewährten Disco-off beats aufscheinen lässt (eins-UND-zwei-UND-drei-UND-vier) hängt Cuber durch, das Bariton knarzt in seinen Händen, kommt gelegentlich zu spät, die Gestaltung ist phantasielos.
Man vermisst ein kraftvolles Tenor - und denkt unwillkürlich an eine der besten Gadd-Jazz-Produktionen in eigener Regie: „Smokin´ in the Pitt“, 1979 u.a. mit Don Grolnick (1947-1996) und Mike Mainieri, ein Live-Mitschnitt aus dem gleichnamigen Club in Tokio, mit einem glänzend aufgelegten Michael Brecker (1949-2007).
Herrschaften, was war da los! Von dem Spielwitz, den technischen Rafinessen des damals 34jährigen ist der heute 66jährige weit entfernt. Selbst sein drum set klingt damals besser als am 17. November 2009 im Restaurant „La Voce“ in Scottsdale/Arizona.
Daß die Produktion gleichwohl Unterhaltungswert hat, liegt an Joey DeFrancesco und Paul Bollenback (auch ein genre-typischer Musiker)  sowie an den Schlachtrössern, die einfach alles mitziehen.
Tracks 9 und 10 ausgenommen, hier als bonus-tracks bezeichnet, die das Gegenteil bewirken: zwei Studio-Aufnahmen Gadds mit der Sängerin Edie Brickell, die stilistisch aus dem Rahmen fallen, weil sie rein gar nichts mit dem Live-Mitschnitt verbindet.

erstellt: 13.12.11
©Michael Rüsenberg, 2011. Alle Rechte vorbehalten