RUDRESH MAHANTHAPPA Samdhi *****

01. Parakram #1 (Mahanthappa), 02. Killer, 03. Richard´s Game (Rich Brown), 04. Playing with Stones (Mahanthappa), 05. Rune (David Gilmore), 06. Breakfastlunchanddinner (Mahanthappa), 07. Parakram #2, 08. Ahhh, 09. Meeting of the Skins (Damion Reid, Kirshnan),  10. Still-Gas (Mahanthappa), 11. For my Lady, 12. For all the Ladies

Rudresh Mahanthappa - as, electronics, David Gilmore - g, Rich Brown - bg, Damion Reid - dr, Anantha Krishnan - ind perc

rec 09.10.2008
ACT  9513-2; LC 07644

Also gut, Rudresh Mahanthappa. JNE kann nicht ewig zuwarten, bis sie sich ihres Urteiles sicher ist, die Kollegen stehen Schlange, mit steil nach oben zeigenden Daumen...
Schon dank seiner Biografie, über die sich so schön schreiben lässt, ist er der Mann der Stunde: die Eltern indisch, geboren in Triest 1971, aufgewachsen in Boulder/Colorado (davor aber 7 Jahre südlich von London, JNE weiss es aus Londoner Kreisen), Berklee School of Music in Boston, New York City, Steve Coleman, Jack DeJohnette und und und...
Neben Vijay Iyer stellt Mahanthappa die Sturmspitze in der neuen Indo-Jazz-Fusion, mit ihrem ethnischen Hintergrund könnte die Legitimation dazu nicht größer sein.
Es stimmt nicht, dass er das Mahavishnu Orchestra nicht mag, Shakti kennt er zu wenig, „Indo-Jazz Fusion“ lehnt er ab - obwohl er einräumt, dass er von der Sache her genau das tut: alle Themen von „Samdhi“ nämlich beziehen sich auf Ragas, alle Rhythmen auf Talas, sie werden mit Funk-Patterns, nicht unähnlich Steve Coleman, verwoben.
Im Grunde kann Mahanthappa gar nicht anders als Stile mischen: „Ich kann keine indische Musik spielen“, sagt er, und seine Referenz in dieser Hinsicht ist Kadri Gopalnath, sein musikalischer Mentor und Partner, der als erster den Tonfall der karnatischen Musik auf dem Altsaxophon hingekriegt hat. Und er fuchtelt dabei mit den Armen, um anzuzeigen, dass er schon technisch die Voraussetzungen dafür gar nicht erfüllt.
Er hat einen Jazzton, er hat manches von Charlie Parker, viel mehr von Steve Coleman - aber er groovt weniger (im afro-amerikanischen Sinne), er phrasiert mehr staccato, hoch energetisch, häufig ohne Punkt und Komma, ziemlich losgelöst von der Begleitung.
Ja, es ist bisweilen anstrengend, Rudresh Mahanthappa zuzuhören.
Kommt hinzu, dass er immer noch einer Idee anhängt, die viele seiner Kollegen ad acta gelegt haben, weil Michael Brecker alles nötige dazu gesagt hat: die Stimme des Saxophons mit Delay und/oder Harmonizer zu vervielfachen.
cover-mahanthappaMan glaubt, die Zeit sei in die 80er zurückgedreht, wenn er in „Panakram #2“ sein Altsaxophon mit Echo-Loops aufschäumen lässt und einen drum-computer-beat darunterlegt - auf der Frankfurter Musikmesse, sonst Ort solcher Technologie-Demonstrationen, ginge so etwas gar nicht mehr. Und man fragt sich, wie ein so heller Kopf eine solche Sackgasse aufsuchen kann.
Mit „Still-Gas“ freilich hat er den Rezensenten aufs Kreuz gelegt: die indische Intonation eines elektronischen Saiteninstrumentes läßt aufhorchen. Aber auslösend dafür sind nicht Signale vom Altsaxophon über einen MIDI-Kanal - sondern ein Improvisationsprogramm auf dem Computer. Mahanthappa überlässt tatsächlich der Software ein paar Momente eines Konzertabends, manchmal ist er zufrieden, manchmal nicht.
„Samdhi“ ist alt, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dreieinhalb Jahre, und wer die Band auf ihrer Herbst-Tournee 2011 beobachten konnte, bemerkt, dass inzwischen vieles besser gelöst ist. Noch immer ist das Baßgitarren-Solo von „Richard´s Game“ quälend, und David Gilmore hat man bei anderen Gelegenheiten schon wesentlich besser gehört (z.B. mit Wayne Shorter, 1998).
Aber, der Drummer Damion Reid hat wesentlich zugelegt (Mahanthappa bestätigt unseren Eindruck, dass er manchmal über toms wieselt wie weiland Alphonse Mouzon), das interplay der Band ist wesentlich gewachsen, die Grooves organischer, und auch der Wechsel von binär/ternär in
„Breakfastlunchanddinner“, von Funk- in swing-pattern, wirkt nicht mehr so naiv.
Mag sein, dass Indo-Jazz-Fusion (oder wie immer man mit Rudresh Mahanthappa den Stilmix bezeichnen mag) hier ein neues Feld eröffnet wird - Shakti aber hat seinerzeit den Korb sehr hoch gehängt. Und es befanden sich mindestens zwei, wenn nicht mehr Virtuosen darin.

erstellt: 15.11.11
©Michael Rüsenberg, 2011. Alle Rechte vorbehalten