NILS PETTER MOLVÆR Baboon Moon **

01. Mercury Heart (Molvær, Westerhus, Dahlen), 02. A small Realm, 03. Recoil, 04. Bloodline, 05. Sleep with Echoes, 06. Blue Fandango, 07. Prince of Calm, 08.Coded,  09.Baboon Moon

Nils Petter Molvær - tp, voc, loops, b-synth; Stian Westerhus - g, synth, perc, electronics; Erland Dahlen - dr, voc, harmonium, perc

rec 2011 (?)
Sony Music 88697959962; LC 00162

He did it again!
Nach dem Moers Festival 2011 mussten wir ihn wirklich loben: der Trompeten-Nuschler aus Norwegen schien seine Attitüde des Miles Davis/Jon Hassell für Arme abgelegt zu haben. Man hörte ihn in höheren Tempi als den Kiffer-Grooves, auf denen er sich sonst auszuruhen pflegt. Das ewige Pathos war da, sicher, aber doch modifiziert durch eine gehörige Portion Drama, nicht zuletzt auch dank neuer Klangbilder.
Der Gewohnheitsmensch aus Oslo bekam Feuer unterm Hintern. Und da der Schlagzeuger-Posten nur personell, aber nicht dramaturgisch neu besetzt war, konnte man nicht umhin, den positiven Wandel Stian Westerhus zuzuschreiben. Allein auf sich gestellt (wir können´s bezeugen) ist dieser Mann eine Qual, ein Gitarren-Extremist, der die Konzertbühne mit einem Stand bei der Frankfurter Musikmesse verwechselt - er blickt nicht über den engsten Kreis der eigenen Fraktion heraus.
Aber hier, bei Molvær, nochmal Moers 2011, hatte er funktionale Grenzen, ein Feld, das er gewinnbringend bedienen konnte.
Wie gesagt, he did it again!
cover-molvaer-baboonDie Platte hat - außer der Besetzung - nichts mit dem Festivalauftritt gemein. Ewig und drei Tage, eine quälende Dreiviertelstunde lang, speist sich das melodische Material aus einem kleinen Bestand von verwaschenen Miles Davis- und Jon Hassell-Klischees, aufgebrezelt durch ein geradezu un-heiliges Pathos. Da ist nichts, was sich aneinander reibt, nichts, was zueinander in Kontrast steht.
Der Auftakt, „Mercury Heart“, steht in einem langsamen 7/4-Takt, man schöpft Hoffnung - die Tempi bleiben so. In „Coded“ eine tief-gestimmte bass-drum im down tempo-Modus - nichts folgt daraus. (Wenn man erfährt, wie derzeit der Bassist Jean-Jacques Avenel gegen eine um 2 Oktaven nach unten gestimmte Hi-Hat von Steve Argüelles anspielt, dürfte das demgegenüber einer Revolution gleichkommen).
Ach ja, ARD-Nachtmagazin und 3SAT-Kulturzeit widmen sich dem Thema...
das muss man als Warnzeichen verstehen - bevor Dieter Moor sich darauf stürzt.
PS: Sidsel Endresen hat bei den „Song-Titeln“ geholfen. Sie hätte die Kerle auf Vordermann singen sollen.

erstellt: 25.10.11
©Michael Rüsenberg, 2011. Alle Rechte vorbehalten

PS: 04.12.11
Nachdem Nicholas Payton das, wie es scheint, unterste Ende der Fahnenstange jeglichen Jazzschaffens definiert hat, kann die für "Baboon Moon" gleichfalls ausgegebene *-Wertung nicht länger aufrecht erhalten werden.