NILS WOGRAM NOSTALGIA Sturm und Drang ******

01. Funky Neighbourhood (Wogram),02. Fundamentals, 03. Sturm und Drang, 04. Country Rain, 05. Now, 06. Envelope (Ross), 07. Thick Air (Wogram), 08. Copenhagen, 09. Friday the 13th, 10. Swing em home (Terzic)

Nils Wogram - tb, melodica, Florian Ross - org, Dejan Terzic - dr

rec. 12/2010
NWOG Records 003; LC 12366

So sehr man begrüßen mag, dass aus einem Meer flacher englischer Titel ein deutscher aufscheint, noch dazu einer aus der Aufklärung, der auf die höchsten Dichterfürsten unseres Landes verweist - als Titelei für ein Ensemble, das sich im sechsten Jahr seiner Existenz, für sein drittes Album dazu entschließt, erscheint er reichlich abwegig.
Noch dazu, wenn das Ensemble mit leichtem Augenzwinkern ganz der Tradition und Konvention eines jazz-eigenen Genres sich zuwendet: dem Orgel-Trio. Die Gitarre von einst wird durch die Posaune ersetzt, aber das war´s denn auch schon. Weder wird die Tonalität aus den Angeln gehoben, noch explodiert der Rhythmus, noch krachen die Formen aus den Fugen. Und wenn eines für ewige Erdung sorgt, dann ist es die boden-schwere Hammond B3, die ja eben darum geliebt wird, weil sich an ihrer fetten Präsenz kaum etwas ändern lässt.
Und ein letztes: über „Sturm und Drang“ klärt ein Weblexikon auf:
„Als Ideal galt nicht der Dichter, der hochgebildet war und in jeder Gattung schreiben konnte bzw. der seine moralischen Lehren zum Ausdruck brachte (poeta doctus). Gepriesen wurde vielmehr das Genie, das sich seine Regeln und Gesetze selbst schafft.“
cover_sturm_und_drangEs spricht einiges dafür, in Nils Wogram - auch wenn er tonlich kaum verwandt erscheint - den legitimen Nachfolger des einst „amtierenden Posaunenweltmeisters“ Albert Mangelsdorff (1928-2005)) zu sehen, in Europa. Aber die Ironie, die in diesem, vermutlich von Volker Kriegel (1943-2003) entworfenen Ehrentitel steckt, sie ist soviel mehr feiner als das „Sturm und Drang“-Schwert, von der Distanz zum „Genie“-Hintergrund der historischen Vorläufer ganz zu schweigen.
Also, „Sturm und Drang“ ist das dritte Album von Nils Wogram Nostalgia.
Es ist das konventionellste von allen seinen Projekten. Es lebt von der Verfeinerung der Mittel; sehr schön wird wieder die Melodica eingesetzt (wie schon auf dem Vorgänger-Album), Wogram erscheint erstmals mehrstimmig (im Sinne von multi-track-recording), er phrasiert noch genauer durch (allein das schon eine Errungenschaft). Das Material ist glänzend arrangiert.
Das Album beschreibt einen abwechslungsreichen Parkurs, eröffnet vom Schlagzeug her mit einem in der Ferne an Miles Davis erinnernden Rock-Beat, der im Schlußthema auf halbes Tempo gesetzt wird, handgemachte drum´n´bass-Figuren tauchen im Titelstück auf, ein verdrehter Reggae im Schlußstück.
Aber, im wesentlichen ist das, was auch drei gute Musiker wie diese aus diesem Format herausholen können, erschöpft. Zu wirklichem „Sturm und Drang“ ist es viel zu eng, da müssten die drei das Ruder wirklich herumwerfen - vermutlich hindert sie ihr großes Handwerk daran.

erstellt: 12.09.11
©Michael Rüsenberg, 2011. Alle Rechte vorbehalten