MARCIN WASILEWSKI, SLAWOMIR KURKIEWICZ, MICHAL MISKIEWICZ Faithful *******

01. An den kleinen Radioapparat (Eisler), 02. Night Train to you (Wasilewski), 03. Faithful (Ornette Coleman), 04. Mosaic (Wasilewski), 05. Ballad of the sad young Men (Landesman, Wolf), 06. Oz Guizos (Pascoal), 07. Song for Swirek (Wasilewski), 08. Woke up in the Desert, 09. Big Foot (Paul Bley), 11. Lugano Lake (Wasilewski)

Marcin Wasilewski - p, Slawomir Kurkiewic - b, Michal Miskiewicz - dr

rec 14.-16.08.2010
ECM 2208/CD 2759105; LC 02516


Schon möglich, dass etliche, die das Trio auf seiner gut besuchten Deutschland-Tournee im Frühjahr 2011 erlebt haben, dieses Album als Plan B empfinden.
Es enthält alles, was sie auch auf der Bühne gehört haben, allenfalls in geänderter Reihenfolge - aber der Ausdruck ist verschoben: quasi gedimmt, Emphase fehlt, das dynamische Spektrum ist nicht durchgängig, aber tendenziell einer „Adagio-Stimmung“ zugeneigt. 

Sich aufzuschaukeln mit den riff-artigen Themen von „Mosaic“ und dem 11/8 von „Night Train to you“, den Improvisationsteil des vorzüglichen Pianisten Marcin Wasilewski hochzukitzeln, das erlauben sie sich zwar auf der Bühne, aber nicht im Studio zu Lugano.
 Live läßt er auch viel mehr den Hancock-Einfluß durchschimmern, selbst da, wo er formal sich Paul Bley zuwendet, dessen „Big Foot“ von 1970.
Die Koordination von linker und rechter Spielhand ist bewunderungswürdig, der synchrone Lauf der Linien von Wasilewskis linker und dem Kontrabaß von Slawomir Kurkiewicz frappierend - hier lässt sich ablesen, was es heißt, seit 18 Jahren (!) zusammenzuspielen (lange Zeit als Begleiter von Thomasz Stanko).
cover-wasilewskiDieses Trio kann rhythmisch alles, von suchendem rubato in Ornette Colemans Titel gebendem „Faithful“ (1966) oder Hanns Eislers „An den kleinen Radioapparat“ von 1942 über leichte Rock-patterns bis zu uptempo swing und der Auflösung des Metrums. Und wer Michal Miskiewicz dabei auf der Bühne beobachtet, der hat so seine Schwierigkeiten, die schulbubenhafte körperliche Haltung mit der hohen Qualität des künstlerisch Erreichten in Einklang zu bringen.
Es dürfte weltweit keine zweite Rhythmusgruppe geben, die mit einem solchen Understatement an die Öffentlichkeit tritt wie diese beiden Polen, nur Wasilewski gestattet sich Körperbewegungen im Fluß der Musik.
Es klingt viel Kontemplation an in den Piano-Trio-Produktionen dieser Tage, insbesondere bei ECM (wenn wir an Colin Vallon und Samuli Mikkonen denken), dieses Trio steht dabei noch am meisten auf einem Jazz-Fundament, vielleicht weil es „amerikanischer“ spielt als viele Europäer.
Es wäre an der Zeit, wenn es den interpretatorischen Abstand zu seiner Bühnenpräsenz verringern könnte/dürfte, vulgo: es sollte ein Live-Album her.

erstellt: 19.04.11
©Michael Rüsenberg, 2011. Alle Rechte vorbehalten