WEATHER REPORT Live in Berlin 1975 *****

01. Freezing Fire (Wayne Shorter), 02. Scarlet Woman (Zawinul), 03. Mysterious Traveller (Shorter), 04. Badia/Boogie Woogie Waltz (Zawinul)

Joe Zawinul - keyb, Wayne Shorter - ss, ts, Alphonso Johnson - bg, Chester Thompson - dr, Alex Acuña - perc                                           

rec. 06.11.1975

BirdJam MIG 80020 CD+DVD, LC-Nr 24689

Keine Schlechte Idee des Maxine & Joe Zawinul Estate, an die Gründung der Gruppe Weather Report vor 40 Jahren zu erinnern. Mithin noch einmal zur Exposition eines historischen Jazzstiles zu führen, als Weather Report eines jener Ensembles war aus dem Miles-Davis-Stall, die - neben dem Mahavishnu Orchestra, Chick Corea´s Return To Forever, Ensembles von Herbie Hancock - das Davis´sche Saatgut aus Jazz- und Rock-Körnern in den frühen 70er Jahren in je eigenen Gewächsen haben aufblühen lassen.
Der Zawerl aus Wien hatte für das Debütalbum vor 40 Jahren auch gleich einen seiner berühmten Sprüch´, der das Aufkeimen speziell dieser Musik wie ein Motto begleitete: „We always solo, we never solo“. Die Gemeinde hat es sich zurechtgebogen als „Bei uns gibt es keine Solisten und Begleiter (mehr)“ - was damals nicht zutraf, auch bis zum Ende der Gruppe 1985 nicht, und sehr viel später allenfalls in Momenten von Zawinuls Syndicate, wo der Meister (1932-2007) seine Einfälle weitaus mehr versprenkelte als hier.
Warum die Wahl anlässlich des Jubiläums auf dieses Konzert in Berlin fiel, bleibt rätselhaft, nachdem man die knappe Dreiviertel Stunde gehört & gesehen hat: der Ort, nämlich die Berliner Jazztage in der Philharmonie Berlin, verspricht sehr viel mehr Renommee als das klingende Resultat festhält.
live in berlin 1975Dabei war das an jenem 6. November 1975 nicht gerade eines der besten, nicht mal eines der guten Weather Report-Konzerte - mag der bestellte Lobredner Bill Milkowski in den liner nots auch noch so sehr mit Superlativen rasseln. Dabei ist gar nicht mal daran gedacht, dass spätere Rhythmusgruppen wie Victor Bailey/Omar Hakim oder Jaco Pastorius/Peter Erskine möglicherweise mehr zu sagen hatten. Es geht hier schlicht um die Tagesform: Wayne Shorter ist auf dem Sopran-Saxophon nicht gerade gut disponiert, sein Ton quäkig, der Zawinul zu seiner rechten und die beiden Schlagwerker zu seiner linken bedrängen ihn akustisch sehr. Und selten hat man eine Baßgitarre so un-bassig gehört wie die von Alphonso Johnson, was zum Teil an der Aufnahmetechnik liegen mag, zum Teil an der von ihm bevorzugten Distortion-Pedal, das die Höhen mehr herausstellt.
Die besten Momente hat Zawinul - und auch die meisten. Das Ensemble wirkt nicht wie eines in Co-Leadership mit Wayne Shorter, sondern wie ein Joe Zawinul Quintet. Er hat starke Momente auf dem verzerrten Fender Rhodes Electric Piano, seine Synthi-Linien schwimmen im Mainstream jener Tage, also mit gelgentlichen Tonbeugungen (eine Errungenschaft damals), und zwei Minuten sitzt er auch am Flügel (in „Badia/Boogie Woogie Waltz“). Dort nimmt übrigens auch Wayne Shorter kurz Platz, im Thema von „Mysterious Traveller“, aber im booklet steht davon nichts.
Dafür aber die komplette Mannschaft des damaligen ZDF-Teams unter Leitung des alten Show-Hasen Alexander Arnz (1932-2004), der für „Wetten dass...“ sicher gut war, aber wohl kaum für eine Jazz-Dramaturgie wie diese.
Und so gibt es eigentlich keinen Grund, das, was man gehört hat, sich auch noch anzusehen: die DVD enthält 1:1 das Gleiche, keinerlei Bonusmaterial, wohl aber ein schlechtes Bild - die Totale in die Berliner Philharmonie mag man sich gar nicht angucken.
Nicht zuletzt gibt es für diese Besetzung von Weather Report eine bestmögliche Referenz, nämlich die Do-CD „Live and Unreleased“, veröffentlicht 2002. Darin mehrere Stücke ein und derselben Besetzung, drei Wochen später, im „New Victoria Theatre“ London.
Und wer das hier „gut“ findet, sollte jene Aufnahmen anhören, da ist alles bestens gelöst.

erstellt: 08.03.11
©Michael Rüsenberg, 2011. Alle Rechte vorbehalten