CHRISTIAN WALLUMRØD ENSEMBLE Fabula Suite Lugano *******

01. Solemn Mosquitoes (Wallumrød), 02. Pling, 03. Drum (Per Oddvar Johansen), 04. Jumpa (Wallumrød), 05. Dancing Deputies, 06. Quote Funebre, 07. Scarlatti Sonata (Scarlatti), 08. Snake (Wallumrød), 09. Knit, 10. Duo (Larsen, Lønning), 11. I had a Mother who could swim (Wallumrød), 12. Blop, 13. The Gloom and the Best Man, 14. Jumpa #2, 15. Valse Dolcissima, 16. Glissando, 17. Mosquito Curtain Call (Orning, Pessi) 18. Solo (Wallumrød)

Christian Wallumrød - p, harmonium, toy piano; Gjermund Larsen - v, fiddle; Eivind Lønning - tp, Tanja Orning - cello, Giovanna Pessi - harp, Per Oddvar Johansen - dr, perc
rec. 10/2009
ECM 2118 2711269; LC-Nr 02516

Christian Wallumrød (Bruder der Sängerin Susanna W.) kennen wir aus dem norwegischen „Jazz“. Aber mehr noch als bei den früheren Aufnahmen dieses Ensembles spricht (fast) kein Kriterium mehr dafür, „Fabula Suite Lugano“ (der Titel leitet sich aus dem Aufnahmeort in der Schweiz ab) unter diesem Gattungsnamen zu führen.
Kein swing nirgends, kein Groove, kein frei-metrisches Spiel - die größte Nähe zur afro-amerikanischen Ästhetik bietet ein angeshuffelter Rock-Beat in „I had a mother who could swim“. Hingegen finden wir - eine Gavotte, das ist ein barocker Schreittanz (die beiden „Jumpas“), eine Scarlatti-Sonate und auch ansonsten vielerlei Alt-Europäisches.
Die Instrumentierung, die Tongebung hat sehr viel damit zu tun, die Einfälle sind manchmal von betörender Schlichtheit, etwa die Triller im Eröffnungsstück oder das Solo „Drum“, das wirklich ein jeder spielen könnte. Oder das rhythmische Tremolieren in „Dancing Deputies“; man kann sich lebhaft vorstellen, wie die Abgeordneten zwar nicht tanzen, aber doch distanziert ihre Zustimmung aufs Pult klatschen und damit den Gestus dieses Stückes vorgeben.
Mehr noch als früher besticht die Musik durch eine unglaubliche Ruhe, ein Horchen in jeden einzelnen Ton, einen suchenden Gestus, als sei der Verlauf im jeweiligen Moment noch völlig offen.
Das verblüffende Resultat: die Scarlatti-Sonate (der erste Teil der b-moll-Sonate) wirkt deshalb am „langweiligsten“, weil sie einer sehr vertrauten Form folgt - alles andere hier wirkt völlig offen.
Natürlich beschränken sich die Einflüsse nicht auf das Alt-Europäische: „Quote Funebre“ z.B. basiert nach Wallumrøds eigenen Angaben auf „zwei oder drei Akkorden von Messiaen und Morton Feldman“.
Obwohl also die Schnittstellen zu Jazz und Improvisierter Musik marginal sind, käme wohl kaum ein „klassisches“ Ensemble auf die Idee, sie zu spielen. Sie liegt nirgendwo vor als Komposition, die man abrufen könnte, sie ist - wie Christian Wallumrød betont - größtenteils improvisiert, sie könne nur sehr schlecht notiert werden.
Er bestätigt damit einen Eindruck, der sich schon nach wenigen Momenten einstellt: das ist zwar keine Improvisierte Musik, wie wir sie kennen (weil sie sich aller ihrer Klischees entzieht), aber die Schlichtheit, ja die Naivität, mit der sie sich den Jahrhunderten öffnet, die können ohne Peinlichkeit nur diejenigen aufbringen, die zu improvisieren wissen. Und hie kommt wieder ... der Jazz ins Spiel!

erstellt: 04.12.09

©Michael Rüsenberg, 2009, Alle Rechte vorbehalten