THE CRIMSON JAZZ TRIO King Crimson Songbook Volume 1 *****

01. 21st Century Schizoid Man (Fripp, MacDonald, Lake, Giles, Sinfield), 02. Three of a perfect Pair (Belew, Bruford, Fripp, Levin), 03. Catfood (Fripp, Sinfield, MacDonald), 04. Starless (Cross, Fripp, Wetton, Bruford, Palmer-James), 05. Ladies of the Road (Fripp, Sinfield), 06. I talk to the Wind (MacDonald, Sinfield), 07. Red (Fripp), 08. Matte Kudasai (Belew, Bruford, Fripp, Levin)

Jody Nardone - p, Tim Landers - bg, Ian Wallace - dr

rec. 2005
Voiceprint VP373CD
www.crimsonjazztrio.com

Nomen es omen: die Kanonisierung der Musik von King Crimson findet hier, weil aus ihrem Ursprungsfeld, dem britischen Art Rock, gelöst, ihre eigentliche Bestimmung. Man könnte auch sagen, sie kommt einem Elchtest gleich, denn ein jeder will wissen: ja geht das denn? Kann man Songs von King Crimson interpretiern, als seien sie Jazz-Standards?
Bei Lichte besehen handelt es sich hier um eine rhetorische Frage, denn ob eine Vorlage sich in ein Stück Jazz umwandeln, vielleicht veredeln lässt, hängt meist weniger von der Güte der Vorlage ab, sondern von der Qualität des Bearbeiters.
Hier haben wir es mit drei mehr oder weniger unbekannen zu tun:
Ian Wallace (1946-2007) hat immerhin noch eine persönliche Beziehung zur historischen Vorlage, als King Crimson-Schlagzeuger der Jahre 1971/72. Tim Landers ist über die Jahre im Jazzrock aufgetaucht, bei Billy Cobham, Frank Gambale oder auch auf dem einzigen Album von Vinnie Colaiuta. Und der Pianist Jody Nardone ist gänzlich unbekannt.
Nicht zufällig, möchte man meinen, steht
der Crimson-Song schlechthin am Anfang, "21st Century Schizoid Man", schon im Original von 1969 mit seinen jagenden 6/8-Parts reichlich jazz-affin.
Das Trio tippt die berühmten riffs geradezu beiläufig an und reduziert ihre Dynamik auf Barjazz-Niveau; da, wo im Original ein Gitarren-Solo von
Robert Fripp steht, sprintet hier ein gepflegter swing mit gelegentlichen Akkord-Färbungen a la McCoy Tyner.
Mit
tradin´ fours, dem Verkürzen von Improvisationsteilen auf 4 Takte (bzw. zwei), kommt zudem eine uralte Jazztugend zum Einsatz. Das gedrechselte Schlußthema im Affentempo erklingt einwandfrei - der Auftakt ist jedenfalls gelungen.
"Three of a perfect pair", aus den frühen 80ern, mit seiner Blues-nahen Struktur bedeutet nun erst mal Ausruhen, es erklingt das erste von mehreren schläfrigen Soli auf der bundlosen Baßgitarre von Tim Landers. In "Catfood" wird nicht zum letzten Male eine kurze
double time-Passage zur Spannungssteigerung eingesetzt.
Bei "Ladies of the Road" hat sich der Gestus des Barjazz endgültig verfestigt, Landers langweilt mit seinem x-ten Baß-Solo.
In "I talk to the Wind" kommt er mit seinem vibrato a la
Pastorius gerade recht, und es fällt erneut auf, welch sanften Ohrwurm Ian MacDonald damals, 1969, geschrieben hat.
Mit "Red", endlich!, verlasst das Trio den Pfad der Konvention, auf dem es sich bis hierhin so behaglich eingerichtet hat: das Thema in spritzigen 6/8, die Bridge in 5/8 und dann das
Monster-Riff - Ian Wallace gibt den Bruford. Er löst sich aus der metrischen Ordnung und läßt die Betonungen wandern, im zweiten Durchgang trommelt er gegen das riff an. Die Band findet schließlich mit einem forcierten swing einen sehr eleganten Ausweg aus der Vorlage.
"Red" markiert fraglos den Gipfel dieser Produktion. Es ist das einzige Stück, in welchem das Trio wenigstens ansatzweise die Techniken der heutigen Jazztrio-Kultur einsetzt. Ansonsten verharrt es viel zu sehr in Ehrfurcht vor den historischen Vorlagen, in einer überkommenen Form von Mainstream-Jazz, den möglichst viele als "Jazz" identifizieren.
Die Crimson-Songs eignen sich zur Jazz-Interpretation; das wissen wir nun - gar nicht auszudenken, was ein
Jacky Terrasson, ein Marc Copland, ein Fred Hersch damit anfangen würde!

erstellt: 05.05.07

©Michael Rüsenberg, 2007, Alle Rechte vorbehalten