OZ NOY Haa! ********

1. Chillin´ (Noy), 2. Sit Tight, 3. Haa!, 4.Say What?!, 5. What Love is, 6. Hey you, 7. Downside up, 8. Blue Monk (Monk), 9. Hit me (Noy), 10. I can´t make you love me (Reid, Shamblin)

Oz Noy
- g, Mike Stern - g, Anton Fig - dr, Keith Carlock - dr, Will Lee - bg, vox, James Genus - b, George Whitty - ep, org

rec 23., 30., 31.7l und 1.8.2004

Rough Trade/Magnatude MT-2308-2; LC-Nr 03090

Es gibt keine Pause! Gerade erst haben wir mit
Greg Howe einen neuen amerikanischen Gitarren-Helden gut verdaut - da klopft schon der nächste an. Kein amerikanischer Musiker wohl war, aber ein in den USA musikalisch sozialisierter: Oz Noy, der die kleine, aber feine Liste der Israel-Importe bereichert (nach Ben Monder, Avishai Cohen, von mir aus auch Gilad Azmon). Er lebt seit 1996 in New York.
Mit wem Noy bis dato gearbeitet hat (Chris Botti, Mike Clark, Jeff "Tain" Watts, Harry Belafonte, Toni Braxton, Phoebe Snow) erlaubt wie üblich nicht einmal eine wage Vorstellung seiner Gitarrenkunst. Sehr viel präziser ist die Zuordnung des "Guitar One Magazine":
"Stell´ Dir vor: Jeff Beck trifft auf John Scofield in der Band von James Brown."
"Haa"!, sein Studiodebut (Vorgänger ist ein Live-Album), beginnt mit einem angeshuffelten New Orleans Beat, wie man sich ihn gut & gerne auch bei
John Scofield vorstellen könnte. Bei Minute 2:00 kippt die Stimmung, ein wildes Schlagzeug erklingt in mono (als habe man eine Archiv-Aufnahme von Keith Moon gefunden), Noy drischt zwei Akkorde a la Pete Townsend und landet auf ein paar Jeff Beck-licks. Das Stück pendelt nach einer knappen Minute zurück, die beiden Modi von "Chillin´" sind etabliert. Sie werden aber keineswegs gleichgewichtig verfolgt; Noy moduliert den Scofield-Duktus mit messerscharfem timing bis zu Momenten a la Westcoast.
Ein Verwandlungskünster ist hier am Werk: der nächste track, "Sit Tight" klingt dank Einsatz von
Leslie Speakers wie Charlie Hunter - bloss würde man von Hunter niemals so gestochen phasierte Linien erwarten.
Das Titelstück, kein langsamer Shuffle, transport ein riff-Thema, das ist so was von
phat...; auch hier wieder Gitarren-"Gestotter" a la Jeff Beck, gepaart mit rückwärts laufenden Wiederholungen und weniger eine entwickelte Melodik. Der Eindruck, hier einen hoch-versierten, in sich versunkenen Saitentechniker vor sich zu haben statt eines Song-Architekten, er verflüchtigt sich nicht bis zum Ende der CD. Noy bedient sich der Rhythmusgruppe von Late Night with David Letterman, und erlaubten sich die beiden Schlagzeuger (die abwechselnd besetzt sind) nicht kleine Ausbrüche, der Eindruck der Langweile wäre manifest.
In track 6, "Hey You", gibt
Oz Noy wieder den begnadeten Handwerker. Er dürfte der erste Gitarrist sein, der über einem traditionellen Go Go-Rhythmus nicht nur sein Spiel, sondern das des gesamten Quartetts mit kunstvoll gesetzen Digitalfehlern, sogenannten "glitches", einen Hauch von De-Konstruktion verleiht. Die Band groovt so betörend wie der Bandleader, das Stück verrät den puren Übermut.
Mit "Downside Up" springt die Produktion geradezu auf ihren Gipfel. Noy beginnt ein freies Intro mit
Keith Carlock und ringmodulierten Klängen (noch´n Effekt) - dann aber wird der Vorhang aufgerissen: Thema zusammen mit Mike Stern (schliesslich ist der Titel eine verbale Spiegelung von dessen "Upside Down"). In seinem Solo macht Stern das, was er immer macht, er spielt den Blues. Und schon wechselt diese Produktion in einen Modus, den sie noch nicht angetippt hatte: einen Jazz-Blues. Noy´s Solo ist wiederum durchsetzt mit diversen Referenzen; hauptsächlich aber demonstriert er, wie es klingen könnte, wenn Jeff Beck in einer solchen Form brillierte.
Und dann, bei seiner abschliessenden Wiederholung, wird deutlich, dass das Riff-Thema nichts ist als purer Jeff Beck!
Oz Noy hat diese grosse britische (Rock)-Gitarrentradition für den Jazz erschlossen.
Und so geht es munter weiter! Noy´s Adaption von "Blue Monk" klingt wie ein Verwandter von
Hendrix´ "Red House Blues".
Und dann der dritte Blues in Folge: "Hit me", der klingende Beleg für die vom Gitarrenmagazin proklamierte These des "Jeff Beck trifft auf John Scofield in der Band von James Brown." Was sich liest wie der sprichwörtliche Aberwitz...klingt genau so! Und erfasst allenfalls die stilistische Ebene, denn formal ist "Hit me" im A-Teil ein
11-Takte-Blues, gespielt mit Power & Kompetenz, die ihresgleichen suchen.
Der Höhepunkt (vor dem balladesken Ausklang "I can´t make you love me") einer gleichsam "dahingerotzten" Virtuosität.
Eine der Entdeckungen des Jahres 2005!


erstellt: 08.11.05

©Michael Rüsenberg, 2005, Nachdruck verboten