SOFT MACHINE & HEAVY FRIENDS BBC In Concert 1971 ***/*

1. John Peel Introduction, 2. Blind Badger (Elton Dean), 3. Neo-Caliban Grides, 4. Out Bloody Rageous (Ratledge)/Eamon Andrews/All White/Kings and Queens (Hopper)/Teeth (Ratledge)/Pigling Bland/10:30 Returns to the Bedroom, 5. Slightly all the Time (Ratledge)/Noisette (Hopper)

Elton Dean
- as, ep; Hugh Hopper - bg (3-5), Neville Whitehead - bg (2,3), Roy Babbington - b (4), Robert Wyatt - dr (3-5), Phil Howard - dr (2, 3), Mike Ratledge - org, ep; Marc Charig - cornet (2, 4), Paul Nieman - tb (4), Ronnie Scott - ts (4)

rec. 11.03.1971
Hux Records HUX 067
www.huxrecords.com

Soft Machine verbindet mit Miles Davis das Phänomen ständig neuer Archivfunde. Wie beim Meister aller Klassen auch ist ihr Nutzen für eine Neu- oder gar Höherbewertung des Künstlers zweifelhaft - ja, im Falle dieses BBC-Mitschnitts aus dem Paris Theatre in London März 1971 liegt sogar eine Rückstufung nahe.
Die Band befand sich, gerade nach Veröffentlichung des Albums "Fourth", neun Monate vor "Fifth", in einer Umbruchphase, die im wesentlichen gekennzeichnet ist durch den Übergang von
Robert Wyatt zu Phil Howard. Das war mehr als lediglich ein Personalaustdausch, sondern ein grundlegender Wandel der rhythmischen Konzeption.
Robert Wyatt, das war das gute alte Hippie-Schlagzeug auf dem Wege, Jazz-Techniken sich anzueignen; Phil Howard - ja was war das eigentlich? Urteilt man nach diesen beiden Performances, dann handelt es sich um einen FreeJazz-Darsteller, einen, der den wilden Mann markiert, aber auf
seine Art weitaus inkompetenter wirkt als Wyatt auf die seine.
Wohlgemerkt, nach Tisch urteilt man anders. Und wir sind heute in einer solchen Situation. Ich erinnere mich sehr wohl, dass Howard damals schwer Eindruck machte, weil er scheinbar mit Radikalität die Band in die Richtung trieb, die Wyatt nicht mehr bedienen konnte, eine Mehrheit des Ensembles aber sehr wohl wollte.
Mit anderen Worten: die beiden ersten Musiktracks, nach der Konzertansage von
John Peel, haben etwas Ärmliches, sie waren auch damals schon nicht state of the art. "Blind Badger", eingespielt von einer SM-Splittergruppe namens Just Us, ist ein modales Stück im 6/8 Takt, mit einem solistisch überforderten Mike Ratledge am E-Piano und einem wie häufig hin und her wackelnden Elton Dean.
"Neo-Caliban Grides" beginnt einigermassen mit einem kollektiven FreeJazz-Intro (witzigerweise sind hier Wyatt und Howard beteiligt) und fasert aus mit einem nicht gar so gelungenen
fuzz bass solo von Hopper.
Ab track 4, nun mit dem grossen Ensemble (aber ohne Howard) befinden die Musiker sich auf
sicherem Grund, nämlich einer Suite aus gut abgearbeiteten Kompositionen in nicht-chronologischer Folge von "Volume Two" bis "Fourth". Was z.B. das Team Hopper/Wyatt zu leisten imstande war, zeigt sich, als Hopper sein riff aus "Out Bloody Rageous" plötzlich ein paar Takte lang in walking bass Manier spielt und Wyatt darauf swingend einsteigt; Ratledge legt hier Orgel-Flächen, Dean schwebt solistisch über allem - die langen tracks 4 und 5 gehören solistisch ihm. Mit einer kurzen Ausnahme in "Teet", wo Ronnie Scott auf dem Tenorsaxophon mehr herumeiert denn wirklich Fuss fasst. Der Scherz, den Hugh Hopper in den liner notes zum Besten gibt (Der inzwischen verstorbene Scott habe während einer Probe gefragt: "Warum können wir nicht einen Blues spielen?"), wird hier schmerzlich demonstriert. Und man fragt sich, welchem Zweck dieser Grossauftrieb dienen sollte - zumal z.B. von den drei Bassisten lediglich Hugh Hopper klanglich durchdringt.
Tracks 4 und 5 dieser Produktion immerhin gewähren Eintritt in genuines
Soft Machine Land - auch wenn die fraglichen Stücke allesamt in besseren Einspielungen vorliegen, nicht zuletzt weil Elton Dean dort besser intoniert.

erstellt: 30.09.05


©Michael Rüsenberg, 2005, Nachdruck verboten