JULIA HÜLSMANN w ANNA LAUVERGNAC Come Closer *******

1. Let´s burn down the Cornfield (Newman), 2. Cowboy, 3. Mama told me not to come, 4. I think it´s going to rain today, 5. Lonely at the Top, 6. In Germany before the War, 7. Baltimore, 8. You can leave your Hat on, 9. Sandman´s coming, 10. Come Closer (Hülsmann, Lauvergnac), 11. Short People, 12. Old Man on the Farm (Newman)

Anna Lauvergnac - voc; Julia Hülsmann - p, ep; Marc Muellbauer- b; Heinrich Köbberling - dr
rec. August 2003

ACT 9702-2; LC-Nr 07644

Was für eine Wonne, von all den Mädchenstimmen (an deren Pflege auch das ACT-Label beteiligt ist) durch ein richtiges Weib erlöst zu werden. Und eine Pianistin, die ihren Vortrag nicht am Niveau der after work Lounges ausrichtet (und sich dabei von
*Aspekte*-Kameras beobachten lässt), sondern auf dem Fender Rhodes hart
& trocken anschlägt - und auch die blue notes nicht vergisst.

Denn hier haben wir es mit Re-Harmonisation zu tun, mit Umdeutungen von Vertrautem, vulgo: Standards. Wobei es keiner Debatte bedarf, dass die Songs von Randy Newman dazugehören, ja dass sie vorzügliche Vorlagen liefern. Wobei der Clou dieser Unternehmung darin besteht, dass der weisse Newman ausgerechnet durch ein deutsch-schweizerisches Quartett eingefärbt, afro-amerikanisiert wird. Newman´s Songs nämlich lassen mehrheitlich eine blues-getränkte Lesart zu.

Hauptanker dafür sind das negroide Organ von Signora Lauvergnac und die entsprechende Harmonik, vor allem die Phrasierung von Frau Hülsmann. Herrschaften, so schwarz hat man lange keinen Jazzpianisten aus diesem Lande gehört. Bei *Scattering Poems*, ihrem letzten Projekt mit Rebekka Bakken, schlug schon durch, was sich nun vollends entfalten kann. Hülmanns Part übersteigt den einer Klavierbegleiterin, sie bewegt sich ohne zu wackeln in Hancock-verwandtem Gelände. Noch beeindruckender ist ihr Anteil als Arrangeurin, die vielen kleinen vamps und hook lines, die sie dem Repertoire eingezogen hat. Bei *You can leave your Hat on* müsste man sie glatt fragen, ob sie eine Akkordfolge in memoriam Don Grolnick geschrieben hat.

In Anna Lauvergnac steht ihr eine kongeniale Partnerin zur Seite (ja, die gute Rhythmusgruppe wollen wir auch nicht vergessen), intonationssicher, belastbar in allen Lagen - mit Rebekka Bakken wäre ihr, wette ich, eine solche Tour nicht gelungen...insbesondere nicht der allmähliche Aufstieg ans Eingemachte, an die beiden schwierigen Songs in der Mitte, *In Germany before the War* und *Baltimore*.

Zum Schluss hin verschwimmen die Welten von Newman & Hülsmann auf frappierende Weise: der Titeltrack stammt gar nicht von Newman. Er klingt wie die Overtüre zum populärsten aller Newman-Songs, *Short People*, gibt aber nur bruchstückhaft seine Identität preis: die Sängerin verstummt völlig, die Melodik scheint im letzten Viertel nur kurz im akustischen Piano auf. Als die Sängerin wieder einsetzt, weiss man: die letzten Akkorde von *Short People* gehören bereits zum Schlussstück.

Lange nicht mehr so intelligenten Pop Jazz made in Germany gehört!

©Michael Rüsenberg, 2004, Alle Rechte vorbehalten