BRANFORD MARSALIS QUARTET A Love Supreme Live ******* CD/DVD

CD: A Love Supreme (John Coltrane); 1. Acknowledgement, 2. Resolution, 3. Pursuance, 4. Psalm
DVD: 1. Performance, 2. Interviews, 3. Credits, 4. Audio set-up, 5. Branford Casual

Branford Marsalis
- ts; Joey Calderazzo - p, Eric Revis - b, Jeff "Tain" Watts - dr

rec 30.03.2003
in-akustik/Marsalis Music 11661-3310-9

Branford Marsalis hat Coltrane´s
modalen Klassiker von 1964 bereits einmal veröffentlicht, 2001 auf "Footsteps of our Fathers". Die Live-Version stammt aus einem Konzert im Bimhuis Amsterdam.
Über die Qualität der Studioversion äussert er sich in den DVD-Interviews durchaus kritisch, wenn man die ersten Sequenzen von "Branford Casual" überstanden hat (die vergebliche Suche nach einem indonesischen Restaurant um 11 Uhr früh, Branford im "gym", auf gut Deutsch: Fitness-Studio), dann kann man schliesslich in den backstage-Aufnahmen erkennen, dass er mit der voraufgegangenen Performance ganz zufrieden war - warum sonst hätte er sie veröffentlichen sollen?
Das Konzert ist gut gefilmt, den Interviews (u.a. mit
Alice Coltrane, Michael Brecker, David Sanchez) kann man den einen oder anderen Gedanken durchaus entnehmen. Ein wenig mehr editorisches Handwerk aber hätte nicht geschadet: bei allem Respekt für Alice Coltrane, das Interview zieht sich (und hätte gut eine Übersetzung vertragen), bei David Sanchez und Miguel Zenon muss man gelegentlich "umschalten", wenn sie von der Bewunderung Coltrane´s in die Bewunderung Branford Marsalis´ springen.
Dass der spirituelle Aspekt von "A Love Supreme" zu wenig bekannt sei, mögen deutsche Jazzhörer,insbesondere diejenigen mit dem "Jazzbuch" von
Joachim Ernst Berendt im Schrank, so recht nicht nachvollziehen.
Aber, wir stehen erst am Anfang der Beziehung von "DVD & Jazz". Da ist dieses Frühwerk schon mal gar nicht schlecht, zumal der Bandleader und Produzent die Hauptsache, das Konzert, auf CD-Audio begibt, auf dass die Konsumenten dieses Schlüsselwerk der Jazz-Moderne nicht nur am Bildschirm, sondern auch beim
Autofahren verfolgen können.
Branford Marsalis ist zu clever, um als Coltrane-
Clone zu agieren; man merkt deutlich, wo er das Original zitiert, beispielsweise in den Themen, aber seine "sheets of sounds“" die schnell gespielten Intervalle, klingen anders, und schon gar nicht lässt er sich auf Coltrane´s "moanin", die langezogenen Saxophon-"Schreie", ein.
Der Performance mangelt es gleichwohl nicht an jener "
Spiritualität", wie man sich angewöhnt hat, den emotionalen Duktus dieses Stückes zu nennen. Nicht schlecht auch, wie Branford im Interview zwischen alltäglicher Trauer und der Trauer unterscheidet, wie sie hier gemeint ist - eine Trauer mit Hoffnung.
Die Band ist unglaublich gut beieinander, insbesondere "Resolution" und "Pursuance" blühen in einem
Rausch der Bewegung und der Farben.
Wer mag, kann sich das lange Schlagzeug-Solo von
Jeff "Tain" Watts anschauen - mit als Watts-Fan reicht die Audio-Spur.

©Michael Rüsenberg, 2004, Alle Rechte vorbehalten