ENRICO RAVA Easy Living ******

1. Cromosomi (Rava), 2. Drops, 3. Sand, 4. Easy Living (Rainger, Robin), 5. Algir Dalbughi (Rava), 6. Blancasnow, 7. Traveling Night, 8. Hornette and the Drums Thing, 9. Rain

Enrico Rava
- tp, Gianluca Petrella - tb, Stefano Bollani - p, Rosario Bonaccoso - b, Roberto Gatto - dr

rec 06/2003
ECM 1760 9812050; LC-Nr 02516

Die Rückkehr Enrico Rava´s zu ECM, nach 18 Jahren "Unterbruch", wie die
NZZ am Sonntag dies schweizerisch charakterisiert, hochdeutsch: nach 18 Jahren bei italienischen und französischen Labels, geht einher mit einem Gewinn an Intonationskultur. Im Abgang (schweizerisch?) des Albums wirft er gekonnt einen Sekundlauf hin. Man muss schon ein gutes Stück in das Album hineinhören, um einen ersten und seltenen Wackler zu vernehmen. Rava, der in diesem Jahr seinen 65. Geburtstag feiert, war in jüngster Vergangenheit häufig nachlässiger. Noch immer pflegt er diesen dunklen Ton, der einen mehrmals das booklet absuchen lässt, ob er denn vielleicht nicht doch auch...Flügelhorn spielt. Nein, tut er ausweislich des gedruckten Textes nicht.

Das Album öffnet mit (s)einem Juwel, einem melodischen Statement, welches das Quintett reihum wandern lässt. "Sand", kann man, nachdem man John Fordham´s Rezension im "Guardian" gelesen hat, nicht mehr anders hören als eine hauchzarte Reminiszenz an Duke Ellington´s "Caravan". Zweimal wird die Besetzung auf - unterschiedliche - Quartette heruntergebrochen: in "Easy Living" und "Blancasnow", der Wiederaufnahme einer Ballade von 1975.

Spätestens mit seinem Intro von track 5 ("Algir Dalbughi") nebst der sich anschliessenden Boogie-Figur, wenn der Vorhang zu einer ganz anderen Bühne sich öffnet, kommt der beste Mann des Ensembles ins Spiel, der "wunderfitzige" (NZZ am Sonntag) Pianist Stefano Bollani. Er ist der Marcin Wasilewski von Rava oder umgekehrt, auf gut Deutsch: die jungen Pianisten in den Ensembles von Thomasz Stanko und Enrico Rava setzen den pastoralen Gestus ihrer Bandleader/Väter einer schönen Portion Zugluft aus. Das geschieht selten mit der grossen Geste, gar nicht mit Prankenschlag, sondern mit etlichen Handreichungen harmonischer und rhythmischer Natur.

©Michael Rüsenberg, 2004,
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