ERIC VLOEIMANS Hidden History *******

1. Solo di Tromba Nr 1 (Vloeimans). 2. Hidden History, 3. Bradshaw, 4. Siri (Palle Danielsson), 5. Entre Nous Nr 1 ((Vloeimans, Marcotulli), 6. Solo di Tromba Nr 2 (Vloeimans), 7. Drop in (Gatto), 8. Somewhere over the Rainbow (Arlen, Harburg), 9. Miquilin (Marcotulli), 10. Soli di Tromba Nr 3 (Vloeimans), 11. Papillon, 12. Entre Nous Nr 2 (Vloeimans, Marcotulli), 13. Hexa (Palle Danielsson), 14. Solo Di Tromba Nr 4 (Vloeimans), 15. Start of an unknown Era

Eric Vloeimans
- tp, Rita Marcotulli - p, Palle Danielsson - b, Roberto Gatto - dr

rec. 16.4.2002
SunnyMoon/Challenge CHR 70109; LC-Nr 00950


Eric Vloeimans hatte zuletzt dem Zeitgeist ein Opfer gebracht und
HippeHoppe gemacht ("VoizNoiz"). Das war langweilig und entbehrlich. Jetzt setzt er an seinem Qualitätszirkel wieder an, nämlich der Erkundung europäischen Jazzpersonals. Hatte er bei "Brutto Gusto" (2000) einen französischer Gitarristen (Nguyen Le), einen dänischen Bassisten (Lars Danielsson) sowie einen finnischen Schlagzeuger (Markku Ounaskari), so hat er diesmal ein schwedisch-italienisches Team verpflichtet, im Grunde sich ihm beigesellt, denn dieses Trio kennt sich aus praktischer Arbeit.

"Hidden History" ist wohlkomponiert. Das Album beginnt mit einem von insgesamt vier Solo-Stücken für Trompete, auf der nächsten Ebene sind zwei, auch vom Titel her als Trompete/Piano-Duos erkennbare Stücke angesiedelt. Tatsächlich sind es drei, denn auch "Somewhere over the Rainbow" gehört in diese Kategorie. Im Gegensatz zur legendären Django Bates-Version dieses Klassikers machen die beiden sogleich klar, was sie spielen und lösen den Kontext erst später und vorsichtig auf, insbesondere im kurzen Solo von Rita Marcotulli. Das Stück steht in der Mitte, und da überkommt es einen längst nicht mehr als Überraschung, sondern als Erfahrung, über welche Gestaltungskraft die Italienerin gebietet. Im Stück davor, "Drop in", einem schönen, offenen, mittelschnellen swing von Roberto Gatto, beschränkt sie sich eine ganze Zeitlang auf eine Spielhand (ihre Phrasierung erlaubt das ohne Abstriche), bis sie beginnt, Akkorde nachzuschieben.

Erstmals in track 3 legt das Quartett die Karten seiner Spielkultur offen: "Bradshaw" startet ohne die Pianistin im binären Modus, sagen wir in einem leichten Jazzrock-Groove. Nach gut eineinhalb Minuten steigt lovely Rita ein, schon wieder mit diesen scharf gemeisselten, kaum sich wiederholenden Ketten, und Gatto, der Fuchs, schiebt mal hier, mal dort einen swing ein; kurz nur, aber nicht zu kurz, dass Daniellsson, dem alten Schweden, dies entgangen wäre. Mit anderen Worten, "groove switching", ereignet sich hier auf engstem Raum.

Bei alledem dürfen wir den Bandleader nicht überhören. Er hat einen geschmeidigen, oft ins Flügelhorn-artige modulierenden Ton; er kann jubilieren, er kann die Töne verschmieren, er intoniert sauber. Und dieses Album hat alle Chancen, mit den aktuellen Produktionen seiner europäischen Veteranen Rava und Stanko gleichzuziehen, freundlicher und abwechslungsreicher ist es allemal.

Bloss im Finale "Start of an unknown Era" verlassen den Bandleader die Kräfte, in einer solchen rubato Ballade sich zu verlieren, das gelingt Thomasz Stanko denn doch souveräner.


©Michael Rüsenberg, 2004, Alle Rechte vorbehalten