CARLA BLEY The lost Chords ****

1. 3 Blind Mice (Carla Bley), 2. Wink Leak, Traps, Leonard Feather, 3. The Maze, Blind Mice Redux, 4. Hip Hop, 5. Tropical Depression, 6. Red, 7. Lost Chords I, 8. Lost Chords II, 9. Lost Chords III

Carla Bley
- p, Andy Sheppard - ss, ts, Steve Swallow - bg, Billy Drummond - dr

rec 10/2003

ECM/Watt 9817953; LC-Nr 04438

Der "Carla can do no wrong"-
Chor ist, wie immer, dicht aufgestellt, und man weiss nicht recht, ob man deshalb überhaupt Gehör findet für eine abweichende Meinung zu diesem neuesten Projekt aus dem Hause Bley/Swallow.
Zum Glück bleiben uns heuer Einblicke ins Pissoir erspart, aber nicht Eintragungen aus dem von
CB geführten "journal" einer Europa-Tournee im Oktober 2003, wo dieses Live-Album entstanden ist.
Viele Schülerzeitungsredakteure hielten dessen verbalen Inhalt schwerlich für veröffentlichungsreif, und auch die visuelle Gestaltung des
booklets bezeichneten sie - so sie aus der grossen Stadt kommen - für provinziell.
Das amerikanische
Albumdesign, welches von den schönsten musikalischen Inhalten häufig nichts weiss, hier entspricht es zuverlässig seiner Funktion - ein einfallsärmeres Cover als das von "The lost Chords" dürfte sich anno 2004 kaum auftreiben lassen.
Insofern finden Inhalt und Verpackung diesmal gut zueinander. Denn wer sich klug gelesen hat in den
Lexika über diese Komponistin, wird sich fragen, inwieweit das passt zu dem, was er hier hört. Warum etwa sind Larry Carlton und Lee Ritenour eher schlecht beleumundet, wo sie doch den Salon-Jazz weitaus spritziger aufbereiten?
Carla Bley zelebriert einen sanften Jazzrock, wie immer, mal swingt´s auch, mal ist ein
Elfer dabei, Schlagzeug-Solo gegen riff, alles so amtlich ... wie langweilig. Ja, wenn man das Stück ansteuert, das zumindest verbal "Novitäten" verspricht ("Hip Hop"), dann hat´s sogar was Zickiges. Da ist nichts mehr von der kraftvollen Eleganz a la "Sextet" (1986). Das liegt kaum an Swallow/Drummond; die Rhythmusgruppe lebt merklich auf, wenn nicht die Chefin, sondern Andy Sheppard ein Solo hat, und der ist nun auch nicht der mitreissendsten einer.
"Lost", verlorengegangen sind hier weniger Akkorde, sondern eine Spielkultur, die - lange ist´s her - einmal von Einfluss war.


©Michael Rüsenberg, 2004, Nachdruck verboten