LARRY CARLTON Sapphire Blue *******

1. Friday Night Shuffle (Larry Carlton), 2 A pair of Kings, 3. Night Sweats, 4. Sapphire Blue, 5. 7 for you, 6. Slightly dirty, 7. Just an Excuse, 8. Take me down*

Larry Carlton - g, Michael Rhodes - bg, Matt Rollings - ep, Reese Wynan - org, Terry McMillan - harm, Billy Kilson - dr, Eric Darken - perc, Steve Patrick - tp, Chris Dunn - tb, Mark Douthit - ts, Jim Horn - bars, arr
rec 3./4.4.2003
BMG/Bluebird 82876-57667-2
*die links führen zu den audio-files auf www.larrycarlton.com

Nach 3.000 Studiosessions, zwei Dutzend eigenen Alben, Grammies und und und stand Larry Carlton, Mr. 335 (benannt nach seiner Gibson ES-335 Gitarre), jüngst Grossvater geworden, der Sinn nach einer "blues-orientierten CD". Wenn so einer aus der Westcoast-Elite, aus der Fraktion Jeder-Einzelne-Ton-Zählt, sich dem Blues zuwendet, mag er sich nicht die Hände schmutzig machen - es sei denn, er kündigt es an, "Slightly Dirty".

Nichts freilich zeugt von der Blut, Schweiss & Tränen-Ideologie, die man gemeinhin mit diesem Genre verbindet. In chirurgischen Schnitten sequenziert Mr. Carlton einen Triolen-Groove in die Abschnitte Shuffle/swing/ternärer Funk und erinnert daran, dass der Blues immer auch schon mit Eleganz & Sophistication zelebriert werden durfte.

Im Stück davor, "7 for you", narrt er die Jazz-Polizei. Alles Besteck ist darauf ausgerichtet, einen Siebener zu fassen. Irjenswie erklingt er auch, aber hinterfotzigst versteckt; die Form läuft über 5 Takte 4/4, der sechste Takt in 3/4! Macht entweder 23/4 oder 4 mal 4/4 plus 1 mal 7/4. Das liest sich - natürlich - komplizierter als es klingt, denn Carlton hat dazu einen vamp geschrieben, so was von süffig, dass der CD-Player aus dem repeat-Modus gar nicht mehr herausfindet.

Bei jedem Durchgang gefällt ihm etwas anderes, immer wieder dieser Wahnsinns-Gitarrenton...und endlich auch das Schlagzeug. In "7 for you" lüftet Larry Carlton wenigstens für Momente, warum er diesen Posten mit Billy Kilson besetzt. Austoben darf Mr. Kilson sich bei Dave Holland, hier ist ihm nicht mehr gestattet, als mit einer Prise Individualität den Faktor Präzision zu würzen.

Grossvater Carlton ist 56 Jahre alt, und es sollte unsereins nicht wundern, wenn er nicht den einen oder anderen Kohorteneffekt eingebaut hätte. So höre ich "A pair of Kings" als Hommage an B.B. King und kann mich nicht entscheiden, ob er als zweiten im Bundes Freddie oder Albert King anspricht; ganz sicher aber feiert der Rhythmus des Stückes 60er Jahre Memphis Sound und Stax Soul.

Der Blues ist eine Kunstform, l´art pour l´art. Nirgends wird das deutlicher als im Schlussstück "Take me down", einem Mundharmonika/Gitarren-Duo. Der Titel ist eine lediglich ferne Reminiszenz an das, was man mit dieser Ortsbeschreibung früher einmal verbunden hat, hier folgt kein "Gospel", kein Aufschrei der Entrechteten, sondern eine philharmonisch saubere Exekution der blue notes.

Mr. 335 spielt den Blues auf seine Weise, als käme er aus einer Diamantenschleiferei und nicht aus dem Subproletariat. Und seine Kollegen schauen ihm dabei auf die Saiten, scharenweise.

©Michael Rüsenberg, 2004, Alle Rechte vorbehalten