EYOLF DALE Being

EYOLF DALE Being *******

01.The Lonely Banker (Dale), 02. Northern Brewer, 03. Behind 315, 04. Forward from here, 05. The Pondering, 06. Fast forward, peace of mind, 07. Ace, 08. How could it be?

Eyolf Dale - p, Per Zanussi - b, saw, Audun Kleive - dr

rec. 27.05.2020

Edition Records EDN 1167

Es wird Zeit für ein wenig Lokalkunde Norwegen.
Richten wir unser Augen- und Ohrenmerk zunächst auf Skien, eine Stadt mit ca 50.000 Einwohnern, 130 km südwestlich von Oslo.
Der Ganz Große Sohn ist Henrik Ibsen (1828-1906).
Die Stadt hat aber auch mehrere, nein auffällig viele Jazz-Söhne.
Deren ältester, Iver Kleive (geb 1949), hat wenigstens einen Randbezug zum Jazz; sein Bruder, der Schlagzeuger Audun Kleive (1961), steht im Mittelpunkt des norwegischen Jazz, lange bevor Bugge Wesseltoft (1964 im 10 km entfernten Porsgrunn geboren) sich gleichfalls dort zu versuchen beginnt.
Skien hat den Gitarristen Lage Lund (1978) an Amerika verloren und - neben Audun Kleive - weitere Schlagzeuger: Wetle Holte (1973) und Gard Nilssen (1983).
In diesem warmen Nest, unweit des Skagerrak, ist auch Eyolf Dale (1985) aufgewachsen, Pianist, keyboarder und Kompositionstalent.
Und wo findet er für seine internationalen Veröffentlichungen seine Drummer? 
In der Nachbarschaft: Gard Nilssen und jetzt Audun Kleive.
Wow, Audun Kleive bei Eyolf Dale, zwei Generationen norwegischer Jazzmusiker - das weckt Erwartungen.
Audun Kleive, der von Terje Rypdal über Jon Balke, Bugge Wesseltoft und Arve Henriksen (nicht zu überhören seine eigenen Alben) der norwegischen Elegie den Groove untergeschoben hat.
Eyolf Dale, der Klavier-Ästhet, der Klang-Poet.
Per Zanussi (1977, Oslo), ein theoretischer Kopf, ein grundsolider, traumhaft sicherer Bassist.
Das Trio-Format reduziert die Erwartungen auf einen Schlag. Keine ausgefuchsten Orchestrierungen wie sonst bei Dale´s Combos-Besetzungen.
cover Dale being 1Und kompositorisch erster Eindruck beim Auftakt „The lonely Banker“: hier purzeln nicht die Einfälle, hier jubliert der Flügel, aber nicht mit perlenden Läufen, sondern in seiner Klangschönheit.
Das Thema: kaum mehr als vier Noten, sehr langsamer 3/4-Takt, nach einem zweiten Durchgang full stop: jetzt kommt Kleive mit rolls auf snare und toms, der Flügel sackt ins dunkle Ende, ein geradezu majestätischer Jazzrock-Rhythmus schwillt im crescendo an.
Das ist der Sound dieses Albums, Klang-Eleganz.
In track 7, „Ace“, kulminiert diese Ästhetik. Wieder ein dunkles Piano-ostinato, ein semi-bluesiger Groove, zu fein, um zu explodieren, eine Art Jazzrock-Bolero, im Hintergrund läuft ein gedämpftes Piano, semi-afrikanisch, als zweite Stimme mit.
Der letzte track liefert das Motto zu dieser Ästhetik, „How could it be“: wie könnte es sein, wenn die drei vor Publikum die Kontrolle verlieren?
Wenn sie nicht - wie hier - nur andeuten, sondern richtig ausspielen.
In „How could it be“ spielt Per Zanussi ein super intoniertes Solo, Eyolf Dale brilliert in puncto timing & Phrasierung, in „Fast forward, peace of mind“ kommen ihm erneut Chick Corea-Einsprengsel in die Finger.
Und Audun Kleive, er versagt sich den ganz großen Auftritt, er begnügt sich sozusagen mit Fingerzeigen auf das, was er noch alles auffahren könnte.
In der Coda des Samba-ähnlichen Grooves von „Northern Brewer“ ein kurzes Aufschäumen der Besen-Technik, in der gravitätisch taumelnden Polka von „Forward from here“ (schon wieder ein Motto!), wieder mit den brushes, ein Auffüllen der großen „Löcher“, die Dale ihm lässt.
Die Interaktion erinnert ein wenig an den Austausch von Chick Corea und Steve Gadd, und man kann sich leicht in eine Fantasie „vorwärts bewegen“, wie der Pianist vor sachkundig folgendem Publikum den Monk´schen Unterton in seinen Bewegungen noch forciert.
On stage.

erstellt: 27.01.21
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