"The book can be read as a bildungsroman"

Ja, die Jazzpolizei zitiert wörtlich (für alle Nerds: sie zitiert das wording) einer Verlagsankündigung von Equinox, London:
„The book can be read as a bildungsroman“.
Das Buch erscheint in englischer Sprache, bei einem Verlag, der in puncto Jazz nicht ganz unerfahren ist.
Er hat gerade erst die Autobiographie von Thomasz Stanko herausgebracht, „Desperado“. Sein Veröffentlichungsplan reicht bis in den September 2024 („Song for someone: the musical Life of Kenny Wheeler“).
Das Buch also, das, wie gesagt, auf Englisch erscheint, sich aber auch in dieser Sprache lesen soll „wie ein Bildungsroman“, trägt den Titel „Building a Personal Canon, Part 1“.
Das ist nun wirklich das Motto des Jazz schlechthin, jazz as jazz can.
Und es ist das Buch eines Jazzmusikers.
Wer könnte das sein?
Bei der Vorgabe „Bildungsroman“ fallen viele weg, die sich schon als Autoren bewiesen haben.
Könnte man dies Eberhard Weber zutrauen, dessen „Résumé“ immerhin Equinox als „A German Jazz Story“ im September 2021 übernommen hat?
Eher nicht. Der Mann, der von sich sagt, er könne nicht Baß spielen, aber er wisse, wie es geht, er fände in einem „Bildungsroman“ keinen Platz für seine Koketterien.
Es müsste schon ein intellektuellerer Kopf sein, vielleicht George Lewis oder Vijay Iyer.
George spricht die deutsche Sprache, er wüsste, was ein „Bildungsroman“ ist; aber einen solchen oder etwas, was sich so liest, zu verfassen, dafür ist er zu sehr Wissenschaftler. Vijay Iyer sowieso.
Ganz kalt also.
Viel wärmer wird es, wenn wir unsere Vermutung auf die Pianisten lenken, die auch schon mal deutsche Komponisten auf den Notenhalter legen, Bach beispielsweise.
Keith Jarrett? - ganz kalt. Der müsste gegenwärtig diktieren. Außerdem gäbe er nie preis, wie man nach seiner Meinung einen „persönlichen Kanon“ entwickelt.
Nein, für beide Aussagen, den „bildungsroman“ und den „personal canon“, auch noch in Fortsetzung, gibt es nur einen Kandidaten unter den Jazzpianisten.
Er hat zudem hinlänglich seine Verehrung für das Inventar des deutschen Bildungshaushaltes kundgetan (und wird, laut Equinox, in dem Buch auch darlegen, wie er von Thomas Mann und James Joyce inspiriert wurde, „von Kritikern wie Harold Bloom bis Terry Eagleton ganz zu schweigen“).
Es ist Brad Mehldau.
„Building a Personal Canon, Part 1“ erscheint am 1. März 2023, im Umfang von 300 Seiten.
Die Jazzpolizei ist gespannt darauf.

erstellt: 07.09.22
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