Die Jazzpolizei bedankt sich bei...

Christine Lemke-Matwey von der Zeit.
Auch sie musste natürlich berichten über den Skandal, den
eine scharfe Kritik in der SZ über Igor Levit ausgelöst hat.
Die Kritik, die vordergründig den Pianisten ins Visier nahm, entfaltete sich rasch zu einer polemischen Abrechung mit dem Künstler, insbesondere im Hinblick auf seine politischen Twitter-Aktivitäten.
Viele fanden den Text als „antisemitisch“, auch „viele Redakteurinnen und Redakteure“ des Blattes.
Lemke-Matwey nun bedient sich, um die schnelle Aufwallung zu beschreiben, eines beliebten Stilmittels, nämlich der Verflüssigung unseres schönen Gattungsnamens in ein Verb:
„(…) die Reaktionen hingegen jazzten sich als Erstes auf Twitter hoch, auf je 280 Zeichen“.
Abgesehen davon, dass Mitteilungen auf Twitter, egal ob gejazzt oder nicht, grundsätzlich die Grenze von 280 Zeichen respektieren müssen; abgesehen auch davon, dass aus der Kennzeichnung dieser Grenze nicht hervorgeht, wieviele Reaktionen sich darauf beschränken mussten (es waren hunderte), ist doch die Verwendung des Verbs hier als halbwegs freundlich zu charakterisieren.
Jazzen erscheint hier im Sinne von „sich summieren“.
Das ist erträglicher als der Sumpf, aus dem das Verb üblicherweise aufsteigt.
Normalerweise erscheint sein semantischer Raum als recht identisch mit dem, was im Ruhrgebiet „aus ´nem Furz ´nen Elefanten machen“ heisst.
Schön, dass der Jazz hier der Klassik dienlich sein durfte.

erstellt: 21.10.20
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