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Lange nicht mehr so guten "klassischen" Free Jazz gehört!
Frisque Concordance, ein Quartett um Georg Graewe, p, dessen taktische Qualitäten aus Zuhören, Abwarten und dem Gespür für den richtigen Moment des Einsatzes schwerlich zu übertreffen sind.
Wie häufig ist die Spannung beschrieben worden, die sich daraus ergibt, dass die Musiker nicht mehr wissen als die Zuhörer.
Dass letztere dem Entstehen von Musik beiwohnen dürfen, wovon erstere Form & Dauer der kommenden Momente auch nicht kennen.
Das einzige, worin sie die Nase, pardon die Ohren (resp. die weiterverarbeitenden Hirnarreale) vorn haben, ist die Gewissheit, dass keiner sich profilieren wird, indem er Spielzüge der anderen zerstört.
Auf diese Charakterfestigkeit hin hat der Wahl-Wiener Graewe seine Leute ausgesucht und genießt diese Erfahrung z.T. seit Jahrzehnten: mit Wilbert de Joode, b, aus den Niederlanden,
mit dem überragenden John Butcher, ss und ts, der einmal, als sich wie von Wunderhand die Übereinkunft einstellt, ein Stück sei zu Ende, nach dem Beifall mit der Phrase wiedereinsetzt, mit der er gerade zum Schluß beigetragen hatte - und doch ein ganz anderer Parcours sich auftut.
Und mit dem fabelhaften Mark Sanders, dr, ebenfalls aus UK, der seine Kraft wunderbar zu dosieren weiß.
Georg Graewe Frisque Concordance, weniger Show geht nicht, und doch eine eminent visuelle Musik, denn auch derjenige, der schweigt und zuhört und sich den nächsten Einsatz sucht, spielt mit. Er pausiert nicht einfach, die Augen des Zuhörers wissen, gleich kommt er wieder, sie wissen nur nicht, wann.
Das ist die Tragik dieser Musik: auf dem Tonräger fehlt dieser Kanal der Wahrnehmung.
Wie sehr die Augen „hören“, das wusste schon Robert Schumann Mitte des 19. Jahrhunderts.

Graewe frisque 1

Georg Graewe Frisque Concordance, 8.3.17, Stadtgarten Köln.

erstellt: 09.03.17
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