BRAD MEHLDAU Your Mother should know *****

01. I am the Walrus (Lennon, McCartney), 02. Your Mother Should Know, 03. I Saw Her Standing There, 04. For No One, 05. Baby’s in Black, 06. She Said, She Said, 07. Here, There and Everywhere, 08. If I Needed Someone (George Harrison), 09. Maxwell’s Silver Hammer (Lennon, McCartney), 10. Golden Slumbers, 11. Life on Mars? (David Bowie)

Brad Mehldau - p

rec. 09/2020
Nonesuch 0075597907407

Beatles waren schon immer im Repertoire von Brad Mehldau.
Ihre Songs „sind von unbestreitbarer Universalität geprägt, sagt er.
„Ihre Musik durchschneidet kulturelle und generationelle Grenzen, während neue Zuhörer sie immer wieder für sich entdecken. Ihre Songs haben eine Unmittelbarkeit und Integrität, die jeden anzieht. Als ich mit dem Pianospielen anfing, befanden sich die Beatles noch nicht auf meinem Radar, aber ein Grossteil der langlebigen Piano-Pop-Musik, die ich im Radio hörte, ging aus ihren Songs hervor. Diese Musik wurde Teil meiner Persönlichkeit, und als ich später die Beatles entdeckte, verband sich alles miteinander. Ihre Musik und ihr grosser Einfluss auf andere Künstler prägen meine Arbeit weiterhin.“

Was klingt wie eine Vorwegnahme aus seiner im März kommenden Semi-Autobiographie „Building a Personal Canon, Part I“, stammt aus den Begleitpapieren zu diesem Album.

Beatles, wie gesagt, waren schon immer im Repertoire von Brad Mehldau. Aber nie hat er sie so exklusiv vorgetragen, auch nie in der Selektion wie aus diesen Konzert im September 2020 in der Philharmonie de Paris.

Wir in Köln hatten wenige Wochen später die Gelegenheit - und wie sich nachlesen 
lässt, offenbar auch das Vergnügen - genau dieses Repertoire in der Philharmonie Köln zu erleben.

Leider lassen sich unsere Eindrücke von damals nur nachlesen und nicht nachhören, aber wenn wir sie nun mit diesem Live-Mitschnitt aus Paris vergleichen, dann speiste sich das damals positive Urteil sicher aus einem Positionseffekt: 
nach Ausschnitten aus der unterkomplexen „Suite April 2020“ kam „der Pianist Mehldau, wie ihn so viele schätzen, in Köln sehr viel deutlicher zum Vorschein“ - in seinen Beatles-Adaptionen.

cover mehldau motherDas ist hier anders, Brad Mehldau kommt sogleich zur Sache.
Das ist weniger ein Problem als der Umstand, dass er nie im Unklaren lässt, worauf er sich bezieht.
Mit anderen Worten: er hat meist gleich das Thema zur Hand.
Dass es auch anders geht, dass Weniger Mehr sein kann, weil die Künstler gerade im Falle der Beatles auf tiefe Repertoirekenntnis im Publikum setzen können, zeigt das Beispiel Julia Hülsmann 2016 auf dem Deutschen Jazzfestival in Frankfurt/M. 

Sie sprach nicht alles aus, schon gar nicht in der richtigen Reihenfolge, was das Format eines jeweiligen Songs hergibt, sondern beschränkte sich auf das Jonglieren mit Formteilen - der Rest lief eh in den Köpfen ihrer Zuhörer mit.

Nun ist die Durchführung bei Mehldau pianistisch von anderem Gewicht und man kann ihm eine gewisse Kontrapunktik in Form einer jeweils zweiten Stimme nicht absprechen.
Allerdings häufen sich die Anspielungen an honky tonk, Boogie und Gospel.
Die beiden Spielhände genehmigen sich wenig Auslauf, sie wagen sich nicht über ein Kommentieren hinaus, verlieren sich nicht - sie schweifen nicht aus wie seinerzeit bei „And I love her“- 
zu einer (Bolero)Pianopredigt.

Auch „Golden Slumbers“ entbehrt jener Dramatik wie seinerzeit in der Kölner Philharmonie.

Zum Schluß - wie dort - „Life on Mars?“ von David Bowie.
Dass auch hier der Beatles-Einfluss durchschimmere, glaubt man Brad Mehldau gerne. Aber, er spielt es wie Elton John.
erstellt: 28.01.23
©Michael Rüsenberg, 2023. Alle Rechte vorbehalten