LIEBMAN/BRECKER/COPLAND Quint5t ******

01. Mystery Song (Duke Ellington), 02. Off a Bird (Liebman), 03. Figment (Gress), 04. Broken Time (Joey Baron), 05. Monoxide (Randy Brecker), 06. Child at Play (Liebman), 07. Broken Time/Reprise (Baron), 08. There´s a Mingus amonk us (R. Brecker), 09. Pocketful of Change (Baron)



David Liebman - ss, ts, Randy Brecker - tp,flh, Ralph Alessi - tp (1,4), Marc Copland - p, Drew Gress - b, Joey Baron - dr

rec. 26.+27.01.2020
InnerVoiceJazz IVJ 106


Dies ist die erste Produktion mit Marc Copland nach dem Tod von Gary Peacock (04.09.2020), an der man sich eine Mitwirkung des Bassisten hätte vorstellen können.
Peacock hat nach 1983 vieles mit Copland gemacht. Vieles, aber eben nicht alles;
Bassist in größeren Besetzungen - und hier ist alles größer als ein Trio gemeint - war meist ein anderer.
Copland hat Erfahrungen sowohl mit Randy Brecker als auch mit David Liebman, wenn auch weniger häufige; und ein Blick auf das Repertoire läßt zweifeln, ob es sich bei dem krampfthaft originellen Titel des Albums überhaupt um eines von ihm handelt.
Zwar erscheint „Quint5t“ auf seinem Label, aber es wird keines seiner Stücke gespielt, Leadership sähe anders aus.
Ein Blick auf den CD-Rücken zeigt: LIEBMAN/BRECKER/COPLAND, mithin gewährt der Pianist seinen Freunden & Kollegen eine Plattform, unter eigener Mitwirkung.
Gespielt wird ein völlig unspektakulärer Postbop (mit Hardbop-Wurzeln), der flüssig durchläuft, dem aber jene poetische Note fehlt, die Aufnahmen von Marc Copland meist ein spezifisches Aroma verleiht.
cover quint5tDas Album startet zudem mit dem nicht gerade gelungensten track, mit einem Latin-Arrangment von Duke Ellington´s „Mystery Song“.
David Liebman schmiegt sich gerade zu an das Thema und improvisiert für seine Verhältnisse erfreulich präzise.
Ein gestrichenes (arco) Baßsolo von Drew Gress fällt demgegenüber ab, und bei dem nicht intonationssicheren Trompeter nimmt man mit Blick auf das backcover zur Kenntnis, dass sich hier nicht Randy Brecker, sondern Ralph Alessi müht.
(Er ist auch nicht auf dem frontcover genannt.)
Das monk´sche „Off a Bird“ von Liebman hätte sich als Auftakt weit besser geeignet, oder durchaus auch der zweite Titel, an dem Alessi mitwirkt: „Broken time“ von Joey Baron; ein midtempo swing mit lässig ausgeführtem Thema. Ralph Alessi agiert hier makellos.
Gleichwohl gibt das Stück Rätsel auf: der Komponist lässt es ein paar tracks weiter wiederholen, erstaunlicherweise in einer rubato Fassung mit Piano und Baß - an der er als Schlagzeuger so gut wie gar nicht mitwirkt.
Fraglich bleibt, was an der schnurgeraden time „broken“ (gebrochen) sein soll - ein broken swing ist es ganz gewiß nicht, sondern ein herrlich durchlaufender.
Ein wenig von der Poetik des Pianisten und Labelchefs Copland scheint in einem Solo in „Moontide“ durch, mit einem zweiten Beitrag kreuzt Randy Brecker Charles Mingus mit Thelonius Monk („There´s a Mingus Amonk us“).
Das Stück taucht selten auf, laut Discogs außer auf diesem Album nur ein einziges weiters Mal: 1997 bei Rolf Kühn & Friends „Affairs“.
Kann das sein? Es müsste weitere geben.
Beim Grübeln über diese Frage sollte keinesfalls der Schlusstrack verloren gehen: „Pocketful of change“ spielt auf den Reigen schwieriger changes/Harmonien an, über die die drei „Bandleader“ je eindrucksvolle Soli tupfen & hauchen (Brecker auf dem Flügelhorn), knappe 10 Minuten Altmeister-Jazz.
Allein dieses Stück hebt die Bewertung des Albums um *.

erstellt: 12.11.20
©Michael Rüsenberg, 2020. Alle Rechte vorbehalten