EYOLF DALE Return to Mind *********

01. Midsummer Gardens (Dale), 02. Soaring, 03. The Mayor, 04. Return to Mind, 05. Naurak, 06. Woody, 07. Rhone, 08. Taplow, 09. I can´t deny, 10. Tranquil Dance

Eyolf Dale - p, Andre Roligheten - ts, fl, Hayden Powell - tp, flh, Kristoffer Kompen - tb, euph, Adrian Leset Waade - v, Rob Waring - vib, Per Zanussi - b, Gard Nilssen - dr

rec. 29./30.08.2017
Edition EDN 1106

Tu felix Norvegia!
Ein gutes Ausbildungssystem, eine großzügige öffentliche Unterstützung, sie werden seit Jahren als Garaten dafür genannt, dass Talente nicht nur erkannt und nicht nur zwischen Oslo-Fjord und Nordkap zirkulieren, sondern die frohe Botschaft auch in alle Welt tragen.
(Vor Jahren hat sie Stuart Nicholson dermaßen angetönt, dass er den Norden Europas als neue Heimat des Jazz meinte ausrufen zu dürfen.)
Und jetzt kommt Wolf Valley, wie er seinen Vor- und Nachnamen ins Englische überträgt (und wie er seine touring band nennt), jetzt kommt Wolf Tal (deutsch), auf norwegisch Eyolf Dale.
Er ist 33 und gehört zu jener Jazzmusikergeneration, ja er wird geradezu auf dem Wellenkamm derer bewegt, die ihren Beruf nicht mehr gegen die Eltern durchsetzen müssen, sondern zu Hause das anregende Milieu vorfinden, das wie ein Katapult für Kreativität wirkt.
In Dales Fall ist das ein Elternhaus, in dem die Jazz-Sammlung der Eltern offensteht, in dem Chormusik erklingt, in dem der Vater Klavier spielt und der Sohn nämliches im Alter von 6 Jahren beginnt, und später auch das hauseigene MIDI-Studio des Vaters zum Ausprobieren nutzen darf.
Eyolf Dale hat u.a. bei Misha Alperin (Moscow Art Trio) und Jon Balke studiert, inzwischen ist er selbst - auch dies kein Sonderfall mehr in seinen Keisen - Assistenz-Professor, an der Königlichen Musikakademie in Oslo.
Je zweimal hat er den Tubisten Daniel Herskedal begleitet sowie den Trompeter Hayden Powell, seine Diskografie umfasst 27 (!) Alben seit 2009, darunter zwei eigene in Norwegen; „Return to Mind“ ist nach „Wolf Valley“ (2016) ist sein zweites für ein europäisches Label, sein viertes ingesamt.
Und schon hat ihn auch Stuart Nicholson auf dem Monitor! Und sagt, Eyolf Dale habe in Konzeption, Ausführung und in kompositorischer Hinsicht drei wichtige Komponenten angeklickt. Und er hat recht.
Dieses Oktett ist ungewöhnlich besetzt (Konzeption), geradezu kammermusikalisch, aber auch mit einer Neigung zum Folkloristischen („Taplow“).
cover dale returnDie Mitspieler sind nicht anders als ausgefuchst zu bezeichnen, die Rhythmusgruppe Per Zanussi & Gard Nilssen geradezu sensationell (man versteht, warum Nilssen gelegentlich bei Marius Neset auftaucht und warum Petter Eldh gerne mit ihm spielt).
Man höre, wie die beiden das accelerando und ritardando in „The Mayor“ angehen, den uptempo swing im selben Stück, den sie auch in einer Schwebe zum Freimetrischen halten.
Und dann „Naurak“, der Höhepunkt des ganzen Albums. Das Stück beginnt und schließt mit einem schnellen Minimal pattern, Nilssen gibt den Feinmechaniker auf dem ride cymbal.
Und dann, nachdem der Form Genüge getan ist, macht sich das Kerntrio auf und davon, zwei Minuten in bester Chick Corea-Manier - um mal nur einen groben stilistischen Anhaltspunkt zu vermitteln.
Soviel zu Nicholson´s Kategorie 2 („Ausführung“), die kaum zu trennen ist von dem Parcours, den Dale ausgelegt hat („Komposition“). Gleich das nächste Stücke, „Woody“ verzichtet vollständig auf die Rhythmusgruppe, es starten die Bläser sozusagen a capella, der Bandleader folgt mit einer Solo-Kadenz auf dem Piano in gleichem Modus, im dritten Teil vereinen sie sich.
Ein Hauch der Arrangements von Gil Evans für das Miles Davis Capitol Orchester schimmert durch.
Das heisst aber auch: Eyolf Dale hat Lösungen für die schwierigste Disziplin, für das Balladeske. Mindestens zwei Requiem-artige Stücke sind zu finden (das Titelstück und „Tranquil Dance“); Norweger mögen das anders hören, als Verweise auf das Pastorale ihrer Kirchenmusik (Ähnliches finden wir z.B. auch bei Christian Wallumrød).
Wie gesagt: Parcours. Man möchte ihn wieder und wieder durchfahren, vom opener „Summer Gardens“, drei Bläser, durch raffinierte voicings so gesetzt, als wären sie sechs, ein 5/4, der in der Wiederholung unversehens auf 6/4 sich dehnt und zum Schluß 4/4 annimmt - bis zum Schlusstrack 10, dem „friedvollen Tanz“.
Ein Parcours immer wieder von kompositorischem und interpretatorischer Esprit.
Nicht zu vergessen: der ländliche Reggae in track 9, „I can´t deny“, erneut folkloristisches Melos, das in der Sprache des Jazz sich artikuliert.

erstellt: 15.03.18
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