That´s Jazz? - That´s Feuilleton! (49)

Es bräuchte eigentlich nur noch eines Anstoßes von Franziskus - und der Seligsprechung von Charlie Watts (1941-2021) stünde nichts mehr im Wege.
Zum „Jahrhundertdrummer“ haben die Medien ihn schon hochgejazzt.
Das durfte insofern nicht schwerfallen, als den meisten seine große Jazz-Neigung nicht entgangen war, dass er neben den Rolling Stones noch eine eigene Jazz Big Band betrieb.
Ein Jazzschlagzeuger, der in der wohl erfolgreichsten Rock´n´Roll Band der Geschichte diente: so weit so zutreffend.
„He swung like the Basie Band“.
Pete Townshend (The Who) brachte über den Rolling Stone Watts gut auf den Begriff, was dennoch nicht wortwörtlich zu nehmen ist.
Präziser Stewart Copeland (The Police) im Guardian:
„Technisch gesehen ist es so, dass er mit dem rechten Fuß auf der Kick Drum spielt, was die Band nach vorne treibt. Währenddessen ist seine linke Hand auf der Snare, dem Backbeat, ein wenig entspannt, ein wenig träge - und diese Kombination aus Vorwärtsdrang und Entspannung ist die technische Definition dessen, was er tut. Aber Sie können es selbst versuchen, so viel Sie wollen, es wird nicht nach Charlie klingen“.
Die meisten anderen Verlautbarungen zu Charlie Watts sind persönliche Anekdoten, Ergebenheitsadressen, Aufplustern, dass man ihn persönlich kannte, ohne damit einer Erklärung nahezukommen, was denn nun den Stil dieses durchweg sympathischsten unter den Rollenden Steinen ausmacht.
Spiegel.de versucht es auf der Überholspur - und produziert eine Luftnummer.
Es bietet einen Gesprächspartner, der doppelte Kompetenz in sich zu vereinen scheint:
„er kannte Charlie Watts seit Jahrzehnten“ und „gilt als einer der wichtigsten Jazzdrummer seiner Generation“!
Craig Holiday Haynes.

Craig Holiday who?
Wir sehen förmlich die Fragezeichen in den Gesichtern etlicher Jazzkritiker und -historiker.
„Haynes? Ich kenne wohl Roy Haynes.“
Ja, es ist der Sohnemann. 65 Jahre alt, vom Foto her wiederum ein durchweg sympathischer Mensch.
Aber, „einer der wichtigsten Jazzdrummer seiner Generation“?

Das Netz gibt kaum etwas über ihn her. Discogs führt ganze acht Produktionen an, darunter eine, wo er bei Freddie Hubbard mal Tambourin spielt („Sweet Return“, 1983) und eine, bei der er seinem Vater an den Congas assistiert („Roy Alty“, 2011), ansonsten ein paar Aufnahmen mit Sun Ra.
Außer dass Charlie sich bei ihm ausgiebig über Sun Ra erkundigt habe, erfährt man in dem Interview wenig.
Aber, CHH trifft eine Aussage, die in unseren Kreisen immer Wirkung zeigt:
„Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass ein guter Schlagzeuger immer eine Repräsentation des eigenen Innenlebens, des eigenen Charakters ist“.
Klingt gut, (weil) keiner kann´s überprüfen.

erstellt: 02.09.21
©Michael Rüsenberg, 2021. Alle Rechte vorbehalten