EMILE PARISIEN QUINTET w JOACHIM KÜHN Sfumato ******

01. Préambule (Parisien), 02. Poulp, 03. Le Clown tuer de la Fete Foraine I (Parisien, Touéry, Gélugne, Darrifourcq), 04. Le Clown tuer de la Fete Foraine II, 05. Le Clown tuer de la Fete Foraine III, 06. Duet for Daniel Humair (Parisien, Kühn), 07. Arome de l´air (Joachim Kühn), 08. Brainmachine, 09. Umckaloabo (Parisien), 10. Balladibiza I, 11. Balladibiza II



Emile Parisien - ss, ts, Joachim Kühn - p, Manu Codjia - g, Simon Tailleu - b, Mario Costa - dr, Michel Portal - bcl (3-5,9), Vincent Peirani - acc (3-5,9)

rec. 16.-18.05.2016
ACT 9837-2

Der führende Sopransaxophonist des europäischen Jazz, Emile Parisien, 34, lädt mit dem 38 Jahre älteren Joachim Kühn einen der immer noch führenden europäischen Jazzpianisten in sein neues Quintett. Er ist zugleich der nach wie vor frankophilste deutsche Jazzmusiker.
Die personale Schnittmenge zwischen beiden ist - zu jeweils anderen Zeitfenstern - die Zugehörigkeit zu Ensembles mit dem Schlagzeuger Daniel Humair, einem Wahl-Franzosen aus Genf.
Sie kommt zum Ausdruck in track 6, „Duet for Daniel Humair“, einer kurzen, schnellen Raserei, eine Fingerübung für Musiker dieses Formates.
Beide, Kühn allerdings mehr als Parisien, zeigen Eigenheiten ihres Stiles; Kühn die bekannt rasch perlenden Läufe, zum Schluß lässt er, der Leipziger, seine Beschäftigung mit JSB anklingen, mit Johann Sebastian Bach.
So hätten sie auch anfangen können. Aber nein, sie beginnen mit einer rubato-Ballade, „Préambule“, mit der sie erst einmal die Temperatur testen.
cover parisien sfumatoMit „Poulp“ hält Parisien seinem deutschen Gast dann die ersten Stöckchen hin - und der meistert sie glänzend: die ganzen Tempowechsel, ein groove switching von frei-metrisch Free bis uptempo swing und Rock. Solche Sprünge hätten auch Kühns jüngsten Album gut getan.

Für die dreiteilige Suite „Le Clown tuer de la Fete Foraine“, noch kollektiv geschrieben vom alten Parisien Quartett, weitet sich das Quintett um Michel Portal und Vincent Peirani zum Septett.
Die Groove- und Stilwechsel erscheinen nicht mehr so abrupt, sie werden gedehnt, den ersten Teil beschließen Sopransaxophon und Baßklarinette in einem zusammengeschweißten unisono, das thematisch wie ein Menuett klingt.
Im abschließenden Satz, uptempo swing, „näselt“ Parisien in Richtung armenischer Duduk, eine ganz wunderbare Klangfarbe, die er in dieser Produktion des öfteren anwählt.
„Arome de l´air“ entpuppt sich als tpyischer Kühn-Rocker, in dem die beiden Leader brillieren, leider aber nicht der Gitarrist Manu Codjia.
Kühn´s „Brainmachine“ probt ein Pathos, das so recht nicht glücken will, Parisien wechselt hier zum seltenen Tenor (auf dem er eher den Jederman gibt). Ein solches downtempo hätte das alte Parisien-Quartett, insbesondere der druckvolle Schlagzeuger Sylvain Darrifourcq, ganz anders durchgeschüttelt.
Im tänzelnden „Umckaloabo“ wächst die Band noch einmal zum Septett an, Kühn setzt sich geschickt oben auf, und der junge Bandleader eilt wieder einmal allen davon. Unfassbar seine sichere Phrasierung auch in hohen Tempi.
Im ersten Teil von „Balladibiza“ (wohl dem langjährigen Domizil von Joachim Kühn zugedacht) nimmt er das Tempo erst mal heraus, in einem angeshuffle´ten Rhythmus, in einer sehr narrativen Melodik, in der er sein Instrument erneut in das dunkle Leuchten einer Duduk überführt.
Der zweite Teil, nach einer langen Kühn-Einleitung, fällt ab, das Stück läuft hinaus auf ein von einer langen Linie umrahmten Baß-Solo. Wenn das „sfumato“ sein soll, dann ist es viel zu deutlich.
Sfumato aber ist kein musikalischer terminus, sondern kommt aus der Malerei; beschrieben wird damit eine Technik a la Leonardo da Vinci (1452-1519), „Hintergründe wie Landschaften in einen nebligen Dunst zu hüllen“, wie uns Wikipedia verrät.
Und das, stellen wir uns vor, wäre noch mal eine schöne Alternative zu dieser Produktion, vielleicht gar eine Art Remix: die beiden stupenden Hauptsolisten, gerne auch die beiden Gäste, nun wirklich in einen „nebligen Dunst zu hüllen“.
Wir denken da an mächtige drones aus der Abteilung Electronica.

 

erstellt: 20.09.16
©Michael Rüsenberg, 2016. Alle Rechte vorbehalten